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beobachtet, im Falle von gefährlichen Anzeichen an die Moosdecke klopft,
sonst aber nicht. Damit wäre über mir völlig reiner Tisch gemacht, es bliebe
kein Rest, höchstens mein Vertrauensmann. – Denn wird er nicht eine
Gegenleistung verlangen, wird er nicht wenigstens den Bau ansehen wollen?
Schon dieses, jemanden freiwillig in meinen Bau zu lassen, wäre mir äußerst
peinlich. Ich habe ihn für mich, nicht für Besucher gebaut, ich glaube, ich
würde ihn nicht einlassen; selbst um den Preis, daß er es mir ermöglicht in
den Bau zu kommen, würde ich ihn nicht einlassen. Aber ich könnte ihn gar
nicht einlassen, denn entweder müßte ich ihn allein hinablassen, und das ist
doch außerhalb jeder Vorstellbarkeit, oder wir müßten gleichzeitig
hinabsteigen, wodurch dann eben der Vorteil, den er mir bringen soll, hinter
mir Beobachtungen anzustellen, verloren ginge. Und wie ist es mit dem
Vertrauen? Kann ich dem, welchem ich Aug in Aug vertraue, noch ebenso
vertrauen, wenn ich ihn nicht sehe und wenn die Moosdecke uns trennt? Es ist
verhältnismäßig leicht, jemandem zu vertrauen, wenn man ihn gleichzeitig
überwacht oder wenigstens überwachen kann, es ist vielleicht sogar möglich,
jemandem aus der Ferne zu vertrauen, aber aus dem Innern des Baues, also
einer anderen Welt heraus, jemandem außerhalb völlig zu vertrauen, ich
glaube, das ist unmöglich. Aber solche Zweifel sind noch nicht einmal nötig,
es genügt ja schon die Überlegung, daß während oder nach meinem
Hinabsteigen alle die unzähligen Zufälle des Lebens den Vertrauensmann
hindern können, seine Pflicht zu erfüllen, und was für unberechenbare Folgen
kann seine kleinste Verhinderung für mich haben. Nein, faßt man alles
zusammen, muß ich es gar nicht beklagen, daß ich allein bin und niemanden
habe, dem ich vertrauen kann. Ich verliere dadurch gewiß keinen Vorteil und
erspare mir wahrscheinlich Schaden. Vertrauen aber kann ich nur mir und
dem Bau. Das hätte ich früher bedenken und für den Fall, der mich jetzt so
beschäftigt, Vorsorge treffen sollen. Es wäre am Beginne des Baues
wenigstens zum Teile möglich gewesen. Ich hätte den ersten Gang so anlegen
müssen, daß er, in gehörigem Abstand voneinander, zwei Eingänge gehabt
hätte, so daß ich durch den einen Eingang mit aller unvermeidlichen
Umständlichkeit hinabgestiegen wäre, rasch den Anfangsgang bis zum
zweiten Eingang durchlaufen, die Moosdecke dort, die zu dem Zweck
entsprechend hätte eingerichtet sein müssen, ein wenig gelüftet und von dort
aus die Lage einige Tage und Nächte zu überblicken versucht hätte. So allein
wäre es richtig gewesen. Zwar verdoppeln zwei Eingänge die Gefahr, aber
dieses Bedenken hätte hier schweigen müssen, zumal der eine Eingang, der
nur als Beobachtungsplatz gedacht war, ganz eng hätte sein können. Und
damit verliere ich mich in technische Überlegungen, ich fange wieder einmal
meinen Traum eines ganz vollkommenen Baues zu träumen an, das beruhigt
mich ein wenig, entzückt sehe ich mit geschlossenen Augen klare und
weniger klare Baumöglichkeiten, um unbemerkt aus- und einschlüpfen zu
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Der Bau
- Titel
- Der Bau
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1931
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 29
- Kategorien
- Weiteres Belletristik