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Baues. Der Hauptunterschied war eben, daß es die Anfangszeiten des Baues
waren… Ich arbeitete damals, förmlich als kleiner Lehrling, noch am ersten
Gang, das Labyrinth war erst in grobem Umriß entworfen, einen kleinen Platz
hatte ich schon ausgehöhlt, aber er war im Ausmaß und in der
Wandbehandlung ganz mißlungen; kurz, alles war derartig am Anfang, daß es
überhaupt nur als Versuch gelten konnte, als etwas, das man, wenn einmal die
Geduld reißt, ohne großes Bedauern plötzlich liegen lassen könnte. Da
geschah es, daß ich einmal in der Arbeitspause – ich habe in meinem Leben
immer zu viel Arbeitspausen gemacht – zwischen meinen Erdhaufen lag und
plötzlich ein Geräusch in der Ferne hörte. Jung wie ich war, wurde ich
dadurch mehr neugierig als ängstlich. Ich ließ die Arbeit und verlegte mich
aufs Horchen, immerhin horchte ich und lief nicht oben unter das Moos, um
mich dort zu strecken und nicht horchen zu müssen. Wenigstens horchte ich.
Ich konnte recht wohl unterscheiden, daß es sich um ein Graben handelte,
ähnlich dem meinen, etwas schwächer klang es wohl, aber wieviel davon der
Entfernung zuzusprechen war, konnte man nicht wissen. Ich war gespannt,
aber sonst kühl und ruhig. Vielleicht bin ich in einem fremden Bau, dachte
ich, und der Besitzer gräbt sich jetzt an mich heran. Hätte sich die Richtigkeit
dieser Annahme herausgestellt, wäre ich, da ich niemals eroberungssüchtig
oder angriffslustig gewesen bin, weggezogen, um anderswo zu bauen. Aber
freilich, ich war noch jung und hatte noch keinen Bau, ich konnte noch kühl
und ruhig sein. Auch der weitere Verlauf der Sache brachte mir keine
wesentliche Aufregung, nur zu deuten war er nicht leicht. Wer in der, welcher
dort grub, wirklich zu mir hinstrebte, weil er mich graben gehört hatte, so war
es, wenn er, wie es jetzt tatsächlich geschah, die Richtung änderte, nicht
festzustellen, ob er dies tat, weil ich durch meine Arbeitspause ihm jeden
Anhaltspunkt für seinen Weg nahm, oder vielmehr, weil er selbst seine
Absicht änderte. Vielleicht aber hatte ich mich überhaupt getäuscht und er
hatte sich niemals geradezu gegen mich gerichtet, jedenfalls verstärkte sich
das Geräusch noch eine Zeitlang, so als nähere er sich, ich Junger wäre
damals vielleicht gar nicht damit unzufrieden gewesen, den Graber plötzlich
aus der Erde hervortreten zu sehen, es geschah aber nichts dergleichen, von
einem bestimmten Punkte an begann sich das Graben abzuschwächen, es
wurde leiser und leiser, so als schwenke der Graber allmählich von seiner
ersten Richtung ab und auf einmal brach er ganz ab, als habe er sich jetzt zu
einer völlig entgegengesetzten Richtung entschlossen und rücke geradewegs
von mir weg in die Ferne. Lange horchte ich ihm noch in die Stille nach, ehe
ich wieder zu arbeiten begann. Nun, diese Mahnung war deutlich genug, aber
bald vergaß ich sie und auf meine Baupläne hat sie kaum einen Einfluß
gehabt.
Zwischen damals und heute liegt mein Mannesalter; ist es aber nicht so, als
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Buch Der Bau"
Der Bau
- Titel
- Der Bau
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1931
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 29
- Kategorien
- Weiteres Belletristik