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weiterziehen. Wohl, es wird weiterziehen. In meinen Erdhaufen kann ich
natürlich von allem träumen, auch von Verständigung, obwohl ich genau
weiß, daß es etwas derartiges nicht gibt, und daß wir in dem Augenblick,
wenn wir einander sehen, ja wenn wir einander nur in der Nähe ahnen, gleich
besinnungslos, keiner früher, keiner später, mit einem neuen anderen Hunger,
auch wenn wir sonst völlig satt sind, Krallen und Zähne gegeneinander auftun
werden. Und wie immer so auch hier mit vollem Recht, denn wer, wenn er
auch auf Wanderschaft ist, würde angesichts des Baues seine Reise- und
Zukunftspläne nicht ändern? Aber vielleicht gräbt das Tier in seinem eigenen
Bau, dann kann ich von einer Verständigung nicht einmal träumen. Selbst
wenn es ein so sonderbares Tier wäre, daß sein Bau eine Nachbarschaft
vertragen würde, mein Bau verträgt sie nicht, zumindest eine hörbare
Nachbarschaft verträgt er nicht. Nun scheint das Tier freilich sehr weit
entfernt, wenn es sich nur noch ein wenig weiter zurückziehen würde, würde
wohl auch das Geräusch verschwinden, vielleicht könnte dann noch alles gut
werden wie in den alten Zeiten, es wäre dann nur eine böse, aber wohltätige
Erfahrung, sie würde mich zu den verschiedensten Verbesserungen anregen;
wenn ich Ruhe habe und die Gefahr nicht unmittelbar drängt, bin ich noch zu
allerlei ansehnlicher Arbeit sehr wohl fähig, vielleicht verzichtet das Tier
angesichts der ungeheuren Möglichkeiten, die es bei seiner Arbeitskraft zu
haben scheint, auf die Ausdehnung seines Baues in der Richtung gegen den
meinen und entschädigt sich auf einer anderen Seite dafür. Auch das läßt sich
natürlich nicht durch Verhandlungen erreichen, sondern nur durch den
eigenen Verstand des Tieres oder durch einen Zwang, der von meiner Seite
ausgeübt würde. In beider Hinsicht wird entscheidend sein, ob und was das
Tier von mir weiß. Je mehr ich darüber nachdenke, desto unwahrscheinlicher
scheint es mir, daß das Tier mich überhaupt gehört hat, es ist möglich, wenn
auch mir unvorstellbar, daß es sonst irgendwelche Nachrichten über mich hat,
aber gehört hat es mich wohl nicht. Solange ich nichts von ihm wußte, kann
es mich überhaupt nicht gehört haben, denn da verhielt ich mich still, es gibt
nichts Stilleres als das Wiedersehen mit dem Bau, dann, als ich die
Versuchsgrabungen machte, hätte es mich wohl hören können, obwohl meine
Art zu graben sehr wenig Lärm macht; wenn es mich aber gehört hätte, hätte
doch auch ich etwas davon bemerken müssen, es hätte doch wenigstens in der
Arbeit öfters innehalten müssen und horchen. – Aber alles blieb
unverändert. – –
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Der Bau
- Titel
- Der Bau
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1931
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 29
- Kategorien
- Weiteres Belletristik