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34 GLAUBE UND ABERGLAUBE
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HabgnuesoltläSachä laufheimäfeingschwind/
schaus'Biebel thut lachäOhertzigs liebsKind/
OhimmlischerVattä imöchtschiervägehn/
istdasnitäSchatzel so liebundsoschön.
7
IchbleibdafürdatäweilsKindsoschönlacht/
OVattä /OVattägibdufeinrechtacht,
wannstdu'nrechtdäziegstwirdwerdenzumHerrn/
äSchriftg'lehrterMannundäRichterdrauswerden.
8
WannssoltdazukemäOherzigs liebsKind/
zudir thuminehmäundlaßminithint/
thuminitvädammäunddenckfeindaran/
daßidichbeymKrippeldrumbetten[ ]han.22
1,1 enck] euch 1,2 vonnandä] auseinander 2,1 ös] ihr 3,1 däleyden] erleiden 4,3 au ] hinauf 5,1 ehendä]
früher, eher 5,2 Gütl] Geschenk 6,1 soltlä] solche 6,2 Biebel] Bübchen, Junge 7,1 datä] da, hier (verstärkt)
7,3 däziegst]erziehst8,1 kemä]kommen
Eine recht ähnliche Fassung ndet sich noch in der wichtigsten Sammelhandschrift
weihnachtlicher Lieder dieser Zeit im bairisch-österreichischen Raum, dem ab 1787
vonKajetanWesenauerimSalzkammergutniedergeschriebenenGesangbuch.EinFlug-
schriftdruckausderSteyrerOf zinGregoriMenhardts(vermutlichausden1760erJah-
ren)kompiliertdagegendasLiedmitdreiStrophenausSchautsschauts liebäBuemä,das
im Wiener Neustädterdruck noch separat als zweites dialektales Lied abgedruckt war.
DieseFassung ndetsichauchimSt.OswalderWeihnachtsspielwieder(dessenAnfänge
allerdings ins 16. Jahrhundert weisen).23 Die Version des sogenannten Stubenberger
Liederbuchs`,einerdurchdenLumpensammlerPhilippLenglachnerab1796angelegten
zweibändigenSammlungausdembayerisch-oberösterreichischenGrenzgebiet,24 kennt
nur Anfang, Mitte und Ende des Lieds, fügt dafür aber zwei weitere Strophen voll rüh-
render Kinderliebe hinzu, die aus anderen Hirtenliedern übernommen wurden. Bis zur
Fassung in Wilhelm Paillers berühmter Weihnachts- und Krippenliedersammlung von
1881/83 sollten noch zahlreiche weitere Austausch- und Umstellungsprozesse ablaufen;
auch an der hohen Anzahl an Vertonungen und Melodievarianten lassen sich die kom-
plexenTraditionszusammenhängediesesLiedszumindesterahnen.25
Die erstaunliche Anzahl dialektaler Lieder des Weihnachtskreises (von denen wohl
ohnediesnureinBruchteilaufunsgekommenist)belegtderenfesteVerankerunginder
bayerischenundösterreichischenAlltagskultur.UnzähligezumeistungenannteAutoren
22 VierschöneneueGeistl.Lieder.DasErste.Gottgrüßenkbeysammä,verzeyhtsetc.DasAnderte.Schauts/
schauts liebä Buemä etc. Das Dritte. Frohlock, mein Seel / und fange an / etc. Das Vierdte. Vatter und
Mutter,mercktaufmichetc.Neustadt,gedrucktbeiSamuelMüller,1744, f. 1r 1v.
23 Vgl.Pailler,WeihnachtsliederundKrippenspiele II,S.249f.
24 Bayerische Staatsbibliothek, Cod. germ. 7340 (Ges[ä]ng[er] Bu[ch]) bzw. Cod. germ. 7341 (Geistliches
Zeitten Buch). Für die zweibändige Sammlung nden sich in der Literatur die Bezeichnungen Stuben-
berger Liederbuch` oder auch Braunauer Liederbücher/Liederbuch`. Der erste Band, das Stubenberger
Gesängerbuch`, der sich für die Forschung zur Dialektliteratur als deutlich ergiebiger erweist, gliedert sich
wiederuminzweiTeilemiteinerseitsgeistlichenundandererseitsweltlichenLiedern.
25 Vgl.Blöchl,Melodiarium,S.752 762.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen