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36 GLAUBE UND ABERGLAUBE
Linsen, Suppe, Haidenbrein` (Buchweizenbrei), Müßerl` (Mus) und Kocherl` (Brei)28
(Losts auf Buemä, könnts den schlaffä), Kraut und Kohl, Speck, Honig, Nüsse, getrock-
nete Früchte und Kletzenbrot`, sogar Ge ügel oder ein Lämperl` bzw. auch nur dessen
FelloderFlaumfedernwerdenderHl.Familiedargeboten,ViehfutterundStreu,Brenn-
holz und Kienspäne, Küchenutensilien wie Häferl`, Reindl` oder Pfandl`, Stoffe wie
Faschen oder Leinwath`. Speziell fürs Kind bringen sie Kleidungsstücke wie
ein Wut-
zel-Gwänderl,äHauberl,äNetzerl,äPfaiderläfeins,äblabspäärlStrümpferl ,aberetwa
auch ein Sutzerl (Schnuller) mit frischgebackenem Piperlpäpperl-Brot 29 (vgl. Auf
auf he Buebn) oder eine Rodl` (Rassel); der häu g erwähnte
Veiglstock` (Veilchenwur-
zel) soll das Zahnen erleichtern. Selbstgebranntes wie Zwetschgenschnaps, ä Lägel voll
Bier 30(AufaufKamerath/esistnunmehrTag)oderSelbstgestrickteswieFäustlingegibt
es fürdenaltenJoseph.Aufdie(vorallemoberösterreichische)TraditiondesSingvogel-
fangsverweisenGeschenkewieeinVogelkä gmitZeisigoderKohlmeise,derenGesang
den Kleinen erfreuen soll. Auch die Instrumente der an der Krippe zum Besten gegebe-
nen Hirtenmusik mit Geige, Brumbaß`, Dudelsack, Maultrommel, Schwegelpfeife oder
Schalmei steheninderalpenländischenTradition.
Die konsequente Verankerung in der bäuerlichen Lebensrealität garantiert freilich
nicht nur viel Lokalkolorit, sondern ist auch Quelle der publikumswirksamen humoris-
tischen Aspekte des Hirtenlieds, die Topoi des barocken Bauernspotts aufgreifen. Oft
muss ein verschlafener Hirte mit angedrohter oder vollzogener Gewalt zum Mitgehen
erstmotiviertwerden,oftdrohtdieHuldigungdurchlinkischesVerhaltenkonterkariert
zuwerden,demKleinkindwillmanmitSpeckoderSchnapsaufwarten,Eierzerbrechen
oder man vergreift sich im Tonfall der Hl. Familie gegenüber. Besonders gerne werden
die metaphysischen Erscheinungen lachhaft naiv ausgedeutet, wie etwa im folgenden
Liedanfang,wodiemitternächtlicheHellealshimmlischeSonnwendfeieroderglühende
LockeneisenundderGloria-RufalsSchmerzensgeschreimissverstandenwerden:
1
HollädäPingelwasgiwtsdenmehoiä
drätzidendweltumbwirdsTagBeidernacht
JausasduStoffel istdasnitä foiä
hambsdeninhimmelheit zumbentnacht,
ist alsäRettendasganz rmäment,
hamt jegwisdEnglndasharau brent.
28 VierschöneneueWeihnachtLieder.DasErste:Lostsauf,Buema,könntsdennschlaffa,hörtsdennnitdas
Jubel-Gscheil, Das Zweyte: Auf, auf, holla liebi Buema, i bin heut recht alls vazagt, Das Dritte: Ihr Hirten
schlafetnicht,kommtthutsallhiersehen,DasVierte:Schlaf Jesuleinschlaf,dasBethlein isthart,dasKrip-
peleinistkalt.Gedruckt indiesemJahr. [o.O.,o.J.], f.2r. [ExemplardesArchivsderStadtLinz,Sammlung
Klier53/6 17].
29 EinschönesneuesWeihnachts-Lied. [Steyr]:GregoriMenhardt [o.J.], f. 2r v.
30 Fünf schöne neue Geistliche Lieder. Das Erste: Ave Maria klare / Du lichter Morgen Stern, du bist ein
Freud, etc. Das Anderte: Auf auf ihr Hirten / nicht schlafet so lang / eine neue Botschaft ist kommen jetzt
an,etc.DasDritte:MeinwashatsdennmehrgebnbeydäNacht, imayn,öshabenetc.DasVierte:Aufauf
Kamerath / es ist nunmehr Tag. Das Fünfte: Mit süssen Schall / nun fröhlich singet all. Linz, gedruckt bey
IgnatzAuinger [o.J.], f. 4r.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen