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LIEDER UND SPIELE DES WEIHNACHTSKREISES 37
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LostsnäPuebm,Lostsnä ihhasßschondäratten,
schautsnädenEngldortdraustwieräschreit,
denhambsdözottnundSgnackhkhlaiverbratten,
undals sogsengtäaufdweltahäkheit,
ofädädausendErsingtwoltäschen,
lostsundseits stillä ichmechtnverstehn.31
1,1 Pingel] Bündel, dicke Person, hier auch als Ausdruck der Überraschung bzw. für den Teufel gebraucht
( Hol mich der Teufel`) me] bloß hoiä] heuer, dieses Jahr 1,2 drätzi] dreht sich 1,3 Jausas] verballhornende
Interjektion für Jesus (hilf)` und damit komischer Anachronismus Stoffel] Kurzform für Stefan 1,4 zumbent
nacht] Sonnwendnacht 1,5 ä Retten] eine Röte 1,6 au brent] heraufgebrannt 2,1 Losts] horcht Puebm] Bu-
ben, Kameraden hasß] habe es dä ratten] erraten 2,2 wie rä] wie er 2,3 zottn] lange Haare Sgnackh] das
Genick,Hals gsengtä]versengt ahäkheit]hinabgeworfen2,5 woltä]mächtig, sehr
Kaum etwas oder jemand ist von den komischen Brechungen dieser dialektalen Lieder
ausgenommen,Josephwirdals hertzigäDätl 32(WAsmußnäbedeutä)präsentiert,sein
Adoptivkind als arms Häscherl 33 (GOtt grüß dich mein Thomerl), ja sogar Gott selbst
kannfüreinePointedienen,wiedieserAusschnittausdembeliebtenHolaLippl,was ist
daszeigt:
10
Eiso lug,wasbuidstaei
WirdgwißGott sonarrischsey
Erwerdzuunsabakäme,
Erkinnt inswoiau nema
IgangrechtwoivollaFreud
WarmawoiderWögnötzweit.34
10,1 lug] lüge buidsta] bildest du dir 10,3 aba käme] herunterkommen 10,4 au nema] hinaufnehmen
10,6 Warmawoi]wäremirwohl
Nur Maria bleibt vom humoristischen Zugriff unberührt. Selbst den abschließenden
Bittformeln lässt sich Komisches abgewinnen, wenn etwa einer der Hirten in He Bartl
undHansl trockenmeint:
Undwannstdenmueßtstrafa,höranmeiniBitt:Sostrafhalt
inMörtlundmich laßmitFried! 35
Es waren vor allem diese mit brachialer Komik und lokalkoloristischen Effekten
arbeitenden Abweichungen von der Heilslehre, die die Hirtenlieder ins Zentrum der
Kritik rücken ließen. Versuche, sie zumindest aus dem liturgischen Kontext zu entfer-
nen, nden sich schon früh. Mit dem Vormarsch der Aufklärung auch in katholischen
Gebieten wurde denn der Ruf nach einem Verbot ständig lauter, so etwa im Pamphlet
Ueber die Abschaffung der Weihnachtsmetten (1781), das sich im ersten Jahr der Erwei-
tertenPreßfreiheit`unterderRegierungJosephsII.überdieZuständeinWiensKirchen
31 UniversitätsbibliothekSalzburg,MI365(LiederbuchderSalzburgerStudienbibliothek), f. 101v 102r.
32 NeunschöneGeistlicheLieder.Erstlich:DreyWeyhnacht-Lieder. [o.O.,o.J.], f. 2r;Dätl]Greis.
33 Vier schöne neue Geistl. Gesänger, Das erste: Erfreu dich jetzt mein Seel, etc. Das anderte: Komm her
meinfrommerChrist, etc.Dasdritte:Schauts, schauts liebeBuema,etc.Dasvierdte: GOttgrüßdichmein
Thomerl, etc.Gedruckt indisemJahr. [WienerNeustadt: JosephFritsch,o.J.], f. 2v.
34 Bayerische Staatsbibliothek, Mus. ms. 7098 (Liederbuch des Singknaben Markus Seitz), S.66. Die Strophe
ndetsichauchinOMeinLenzelwas istdas.
35 ZitiertnachKlier,WeihnachtsliederundHirtenspieleausNiederösterreich,S.47(nachdemExemplaraus
derSonnleithner-Sammlung).
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen