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BIBELHUMORESKEN 51
DerAutordieses lateinisch-bairischenSingspiels,dasdenzumalbei Hochzeitenbelieb-
tenStoff insAlpenländischetranslozierte,warwohlderdamaligeRhetorikprofessorund
spätereAbtKolumbanWieland(1735 1787).
Wie beliebt auch die biblische Überlieferung der Opferung Isaaks durch Abraham
im Volksschauspiel war, belegt indirekt ein Kuriosum: das
Tyroler Spihl` des aus Lu-
zern gebürtigen Jesuiten und Pfarrers Franz Alois Schumacher (1703 1784). Für die
Fastnachtszeit in Rothenburg bei Luzern 1743 verfasst, verhinderte die Stadtregierung
letztendlich eine Aufführung von Isaac der Alt Testamentische. Denn die gestrengen
LuzernerZensorenattestiertendemSkandalstückblasphemischenGehaltundeineVer-
ballhornung der Bibelgeschichte (zugleich freilich sicherten sie mit ihrem Gutachten
auch die Überlieferung). Schumacher selbst hatte schon im Prolog klargestellt, dass es
ihmnichtumeineInfragestellungderalttestamentarischenErzählungoderderchristli-
chenLehreginge,sondernumeineSatiregegenderenVereinnahmungimnaivenVolks-
schauspiel. Immerhin hätten die Rothenburger ihr Spiel nit aus der bibel gnommä, /
sonder sie haben den innhalt von den tirolerä bekommä 61, deren einfältiges Thea-
terwesen sie nachäffen würden. Seine Komik erhält das Stück neben der inszenierten
Inkompetenz der Schauspieler vor allem durch die Präsentation des biblischen Gesche-
hens im genus humile`. Wesentliches Stilmittel ist dabei die Verwendung von Dialekt,
der hier überraschenderweise ein künstliches (mit alemannischen Elementen der Lu-
zernerMundartvermengtes)Bairischist,dassichSchumacheroffenbarwährendseines
Noviziats in Landsberg in den Grundzügen angeeignet hatte und das in seinem Werk
für das
Tirolerische` stehen sollte. Dieser Kunstdialekt war also als Verfremdungssignal
fürdasSchweizerAufführungsumfeldgedacht,produziertmiteinigenwenigenNachah-
meregelnundsomitweitentferntvondialektgeographischerKorrektheit,dochdeutlich
genug,umseineparodistischeWirkungzuerreichen.DassdasSpielbeidenZuschauern
wohldurchausfürLachergesorgthätte,sollderfolgende,
völlignachdertyrolerrubric
gestalteteAuszugzeigen, indemAbrahamseinenSohnerschießensollundsichbewusst
tollpatschiggibt.Brachialkomisches trägtauchderp ichtvergesseneEngelCherubindel
bei,derGottvater inRagebringt:
Abraham. Soseys, ihwillmihentschließä,
rechtrabiatischdrejz'schießä.Daschauterz'rukzugottv.
Nurumdasbitt ihdih,
wans losgangenist, somahnmih.
Gottvodäderneu. Äsomueßjaderschußfählgeh,
wart ihwilldärboksteh.
Abraham. Stand,ägottsnamästandt,
sonstpfup indie läärwand.
Jetz istsgarartli.
Gottvodäderneu. Säschießzuebartlj!
Abraham. Ihwillnurz'erstd'naseschneuzä,
undäbizelä ind'händspeüzä.
Haltdudavor
61 Walter Haas: Franz Alois Schumachers Isaac`. Eine Volksschauspielparodie aus dem 18. Jahrhundert. Lu-
zern:Rex1975,S.194.ZurAnalysederSprachgestaltungsieheS.79 143.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen