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HEILIGEN- UND LEGENDENSPIELE 57
iezt soll ainä ä stainige Natur habn und än Magn, als wie ä zechetstadl. i sags rund raus, wön
dös frösn, und sauffä bey hof no lenger wiert, mues i schai wider ä Purgier von A b c trekhler
einemmä,oder imuszumschäf ergieh,dasermiretli raif and'wampenolegn lasst.74
1 Kirdä] Kirchtag(fest) hr. artli] Herr Artus, Gatte Hirlandas 2 i ho] ich habe 3 wei] Weib, Frau mei sechs]
meinerSechs(AusrufderBekräftigung)guraschi](franz.courage)Mut4kekhs]mutiges5tumuliern]Tumult
machen,Mutwill treiben ämahl]einmal6 thai] tun änMo]einenMann7 zechetstadl]Zehentstadl:Scheune
zurAufbewahrungderZehentabgaben8Purgier]Purgiermittel:AbführmittelAbctrekhler]Verballhornung
vonApotheker9 schäf er]Fassbinder wampen]Bauch
Dass diese Anreicherung der Legendendramatisierung mit dialektalen Nebenrollen
schon im frühen 18. Jahrhundert nichts Ungewöhnliches war, belegt der Prolog einer
Trag
dia Hirlandiæ, die 1713 in Lambach aufgeführt worden war. Dort begegnet uns
mitdem Nachtwachter` ( Allöherrnvndfrauälaßeuchsagn/derhammerderhattreu
gschlagen 75)einemundartlicheFigur,dieschoninHeinrichIgnazFranzBibers(1604
1704) berühmter Serenada à 5 (1683) ihren Auftritt hat ( Lost Ihr Herrn undt last eüch
sagen, der hammer der hat Neyne [Zehne] gschlagen, hüets feyer, hüets wohl 76) und
sich im weihnachtlichen Offertoriumsgesang (vgl. S.35) ebenso nden lässt wie in den
Hanswurstburlesken des Kärntnertortheaters.77 Auch die 1791 mehrfach aufgeführte
Hirlanda in der Fassung des Laaser Theatermanns Johannes Ulrich Federspiel (1739
1794) weist Hanswurstszenen im Tiroler Dialekt auf (die offenbar dem traditionellen
Spielrepertoire der semiprofessionellen Vintschgauer Schauspieltruppen entnommen
sind,wieParallelenzumLaaserSpiel vomEigenenGericht vermuten lassen).78
In der Dachauer Joanna von Arc (1770) sind zwei Szenen mit Mundartspäßen nur
lose mit der Handlung verknüpft, während die Getruckht aber nit Undertruckhte Un-
schuld oder die heilige Itta (um 1765) ein wohl von Kiennast selbst stammendes dia-
lektales Nachgspill` aufweist, das sich als aberwitzige Katechismusstunde` des Bauern
Hans an die Grenzen des damals noch Zeigbaren herantastete und selbst vor der Ver-
ballhornungdeszentralenchristlichenGebetsnichtzurückschreckte:
Hans. seydts stillöszwayarabischebürgEsel!wie langgehts schonind'schuell.
Rubelle. 7viertl Jahr.
Hans. Und kindts ös Vatter unser no nit? nur gedult, i will euch ögl s'Vatter unser mit meinen
hölzernenPaternosterhalt lehrnä.zeigt ihnendenstekhen.
Casperle. Vodä in der Schuell sagt mäs uns freyli, aber mä vägißts glei wider weil mä dahaimb
nimmerwiderhollnmueß.
Hans. ieztmörkhtsnogschwindtauf,undbettsmanachVatterunsä.
ambo. Vatterunsa
74 Ebda.,S.9f.
75 Vgl. Stiftsarchiv Lambach, Cod. chart. 202, f. 1 sowie Konrad Schiffmann: Drama und Theater in Öster-
reichobderEnnsbiszumJahre1803.Linz:VerlagdesMuseumsFrancisco-Carolinum1905,S.68ff.
76 Zitiert nach Charles E. Brewer: The Instrumental Music of Schmeltzer, Biber, Muffat and Their Contem-
pories.Farnham:Ashgate2011,S.246.
77 Vgl. u.a. Alli meini Herrn und laßts eng sagn (s.o.) bzw. Colombine Leben und Todt. Oder Hanns-Wurst,
Höllischer Nacht-Wachter sowie Bernardon als Nachtwachter, siehe Österreichische Nationalbibliothek,
Cod.12708 (Teutsche Arien, Welche auf dem Kayserlich=privilegirten Wienerischen Theatro in unter-
schiedlichproducirtenComoedien,derenTitulhier jedesmahlbeygerucket,gesungenworden).
78 Vgl. Toni Bernhart (Hg.): Johannes Ulrich von Federspiel. Hirlanda. Durch falschheit zu feir verdamte
unschuld:EditiondesLegendenspielsnachderLaaserHandschriftvon1791.Wien/Bozen:Folio1999.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen