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KRITISCH-KOMISCHES ZU GLAUBENSLEHREN, -LEUTEN UND -DINGEN 77
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OmeiniMenschä,wiemögtsmisoplagn?
HätengväHerzngern,derfsgarnötsagn,
WanniösKlastägeh,undwürvädamt,
Seidsös feinsaubädranschuldi insgsamt.
3
Menschä!gehts thuetsmäsrechtaufrichti sagn,
Obsmödennrecht füränLappenwöltshabn?
Wöltsminöt liebm,undnueallweil fexirn,
WirdmidäToifel insKlastäbald führn.
4
Menschä!gehtsherda, stehtszaminainKrais
Sinst ismitenggradäTröckundäSchais,
Wanniengzwiedäbin, sagtsmäs insGsicht
Dasmi feinhintäruckskainöausricht.
5
Menschä jezt thue ieng 's löztömal fragn:
Wöltsmino liebhabn? thuetsaufrichti sagn;
Wannsminoliebhabts, ibinnonöthin,
GehtmädäKlostägeistgradsausmSinn.107
1,1 Menschä] Mädchen 3,2 Lappen] Lapp: Tölpel, einfältiger, aber aufrichtiger Mensch 3,3 fexirn] vexieren:
necken,zumBestenhalten4,2 Schais]Furz4,3 zwiedä]zuwider,widerwärtig4,4 ausricht]ausrichten: (einen
Abwesenden)schlechtmachen5,1 eng]euch
Auch Anton von Bucher wie Lindemayr Geistlicher, doch weitaus systemkritischer
und reformbewusster als dieser war die Anwerbung Untauglicher für das klerikale
Leben ein Dorn im Auge. Als Rektor der Deutschen Schulen in München war er mit
der Neustrukturierung des Unterrichts nach der Aufhebung des Jesuitenordens betraut
gewesen und hatte in der unheilvollen Vermengung von seelsorgerlichen und pädago-
gischen Aufgaben eines der zentralen Probleme sowohl des Mönchtums als auch des
Bildungswesens erkannt, gegen das er in seinen antiklösterlichen Satiren anschrieb.
Wie kaum ein anderer verstand es dieser Meister der parodistischen Funktionalisie-
rungkatholischerGebrauchs-undErbauungsliteratur,mit ngierterNähesprachlichkeit
falschesBewusstseinaufzudecken,wiederfolgendeAusschnittauseinemBriefderJung-
ferKatherlan ihrenhochgeehrtenHerrnGöthenbelegt:
Neues weiß ich nichts zu schreiben, als daß wir Soldaten auf Execution hier haben, welche im-
mer an mir zupfen und rupfen, mir seynd aber die Schreiber vom P egg'richt lieber, und unser
BadergesellderMartl.UnddaßichinsKlostergehe,weißderH.Gödtschon.DerP.Maurussagt,
ichkönnesonstnichtseligwerden,weil ichdazuberufenbin.ErhatmirauchschoneinJeserlge-
schenkt. Der Badermartl, hat mir aber nächst den Kopf abgebrochen aus Dalkerei, und ich muß
eserstwider leimenlassen.DenRinghabeichauchschon,unddieKlosterfraunhabnmichgern.
Hat der Vatter nächst gsagt, gehe Diendl, gehn wir hinauf ins Kloster. Und da hab ich g'sagt, ja
Vatter.UndhabdasreichMiederanglegt,unddiereichHaubnaufgsetzt,undssilberneGschnür
gnommen mit den silbernen Ablaßpfening, und der coralinen Feigen, und hab mich schön auf-
putzt. und neben dem Halstüchl habe ich die rosenfarben Skapulierbändl herausschauen lassen,
daßsiegesehenhaben,daßicheineChristinnbin,unddannhatderVattereinFaßlWeinundein
107 Maurus Lindemayr: Dialektlieder. Kritische Ausgabe. Hg. und kommentiert von Christian Neuhuber.
Bd.1:Text.Wien:Praesens2008. (SchriftenzurLiteraturundSprache inOberösterreich13/1)S.116f.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen