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BEDROHUNGSBILDER DES REICHS 97
dertsspannen.NichtzuletztabergibtesauchnocheinenvölliganderenModus, indem
Krieg und Frieden dialektalästhetisch verhandelt werden konnten. Nicht alle der über-
lieferten Texte sind tatsächlich Propagandaschriften im Sinne der Obrigkeit vielmehr
haben sich, wenn auch vereinzelt und in der Regel ungedruckt, auch Belege einer an-
deren Sichtweise erhalten, in denen mit den Versprechungen und Verlockungen, mit
denen die einfache Bevölkerung angeworben werden sollte, hart ins Gericht gegangen
wurde. Das Leid und die Entbehrungen des Kampfes, die Trauer um in den Krieg gezo-
gene Familienangehörige, die Anklage der unmenschlichen Behandlung innerhalb des
eigenen Heeres: Auch darüber wurde gesungen und geschrieben, und es ist sicherlich
anzunehmen, dass diese Texte, anders als es die Überlieferungslage heute darstellt, im
zeitgenössischenDiskursnichtnureineRandstellungeinnahmen.
BedrohungsbilderdesReichs
DasBejubelndereigenenSiegeundderagitatorischeZuspruchfürspätereAuseinander-
setzungenwirkendortamüberzeugendsten,wodasBedrohlicheundAbscheuliche,aber
auch das Groteske und Verlachbare der Gegner herausgestrichen werden konnte. Vor
einer solchen Folie des Andersartigen vermochte die Tapferkeit und Glorie der eigenen
Streitkräftenochbeeindruckenderhervorzutreten.BevorzugteObjekteeinerderartigen
Feindbildkonstruktionwarenimausgehenden17. Jahrhundertvorallemdie Erbfeinde`
des Reichs: die Türken im Südosten und die Franzosen im Westen, deren militärische
Expansionsgelüste Kaiser Leopold I. vielfach in die Bredouille brachten. Die Erfolge in
diesen Auseinandersetzungen ermöglichten letztendlich den Aufstieg des Habsburger-
reichszureuropäischenGroßmacht.
DerGroßeTürkenkrieg(1683 1699)undseineFolgen
Als imFrühjahrdesJahres1683dasosmanischeHeerunterderFührungKaraMustafas
mit Unterstützung der Ungarn gegen Westen hin aufbrach, war man im Habsburger-
reich nicht unvorbereitet.4 Kaiser Leopold I. hatte Bündnisse mit Bayern, Polen und
Sachsen geschlossen; von Papst Innozenz XI. kam Unterstützung in Form von Subsi-
dien. Die kaiserliche Armee unter Oberbefehl Herzog Karls V. von Lothringen trat den
4 Zum historischen Hintergrund vgl. u.a. Gertrud Gerhartl: Belagerung und Entsatz von Wien. Wien: Ös-
terr. Bundesverlag 1983. Klaus-Peter Matschke: Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der
Türkenkriege.Darmstadt:Wiss.Buchgesellschaft2004. MartinScheutz:1683 ZweiteTürkenbelagerung
Wiens. Internationale Kon ikte, beginnende Zentralisierung der zusammengesetzten Habsburgermonar-
chieundKonfessionalisierung.In:MartinScheutz/ArnoStrohmeyer(Hg.):VonLiernachBrüssel.Schlüs-
seljahre österreichischer Geschichte (1496 1995). Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag 2010, S.111
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen