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MEDIALE SCHLACHTEN UND DIE
WAHRHEIT` DER PROPAGANDA 133
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Jetzt seyndäd'Frantzosengloffen
allwegausderPrager-Stadt,
gelt, eszittern ihnend'Hosen,
wissennichtwoaufnochab,
dieKön'gin thutäBayrnnochbsetzen,
mitägrosserKriegs-Armee,
last sichnichtgleichaußihötzen,
mußFridodergräfft seynehe. 6
Drumwird jedersagnmüssen,
daßdieFraurechtwohll regiert,
hätkeinMannzsagenaufdenFüssen,
wiemansz'ersthatattaquiert,
zuHülf seynddieHungarnkemmä,
Weiber, loßt,wasmäjetzt sagt,
thutsencknitzuvielübernemmä,
d'MännahabntdieFeindverjagt.
7
DannderGrafvonKhevenhüller
istmeinAydäbräfferHeld,
undeinguterKögl-Spiller,
wodieKugeln iegnimFeld,
ichmöchtwohldasSpillnicht treibn,
wannichalseinKögl stund,
möchtmichainerniderscheibn,
daßichnichtmehraufstehäkunt. 8
Willvil lieberG'sundheit sauffä,
vivatdasHausOesterreich,
daßdenFrantzosenzamthutrauffä,
undwirdmitdemBayrengleich,
juhe thuts rundeinschenckä,
gsundderKönigin feindoll,
wannichnuraufsie thuedenckä,
schmecktmirs trinckänochsowohl.68
1,3 Kittl] Rock 2,7 umä rauffä] herumraufen, kämpfen 3,4 Fortl] hier: Vorteil 3,5 seynd ä kemmä] sind auch
gekommen 3,7 als] alles 3,8 Handel] Verrichtung, Angelegenheit 4,3 außi] hinaus 5,8 gräfft] gerauft, d.h: es
muß zuvor Frieden werden, oder gerauft (gekämpft) werden 6,6 loßt] hört, horcht 6,7 enck] euch 7,2 mein
Ayd] bei meinem Eid! (Redewendung zur Betonung der Nachdrücklichkeit) 7,3 Kögl-Spiller] Kegel-Spieler
7,7 niderscheibn]von Kegel scheiben`,d.h.niederschießen8,5 rund]passend, schön,ordentlich.
Dialektkannaberauch,unddaskommtinvielenLiedernzumÖsterreichischenErbfol-
gekriegzumAusdruck,denJubelüberSiegeunddenSpottüberdieGegnerinbesonders
handfester Weise ausdrücken. Hilfreich dabei sind das reiche Spektrum an Schimpf-
wörtern und die vielfältigen Möglichkeiten des Tabubruchs, die den Dialekt als nicht-
normalisierteSprachformimmehrfachenSinnfürdieAgitationprädestinieren.Sosind
die Lieder durchwegs geprägt von derbem Spott über die fremden Herrschenden und
von unbarmherziger Schadenfreude über die Misserfolge und Schwierigkeiten der an-
derenHeere. IndemEnde1744entstandenenLiedvonder Pandurenth'resel etwa,das
von bayerischer Seite die Österreicher und ihre Truppen aus den Kronländern angreift,
wirdnichtmitdeftigenBildernundun ätigenBegriffengespart:
1
D'Pandurenth'resel stolzmüthig oriert
Mit ihrenSoldaten, soSchelmerundDieb.
Husaren,Panduren,Razen,Krabat'n,
SeyndlauterGesindel,wie'sHerodesSoldat'n.
2
DerTh'reselSoldaten,die schaumannuran!
Wievielgehennackend,keinMonturhaben'san;
68 Siben schöne Neue Gesänger. Das Erste: Lusti bin ich immerzu, ich sag dirs Urberl etc. Das Anderte: Bay-
rfürst und du ä Frantzos, könnts enck wohl etc. Das Dritte: Te Deum Laudamus ihr Völcker heut'singt,
etc. Das Vierdte: Hab mein Lebtag nie viel ghalten, auf das etc. Das Fünfte: GOtt grüß enck mein Vattä
und Muttä all zwey. Das Sechste: Menschä was soll das mehr seyn, die Sach etc. Das Sibende: Hösä mei
liebe Frau mein Jahr das ist nun aus, etc. [o.O., 1743]. Abgedruckt in: Karl M. Klier: Historische Lieder
des 18. Jahrhunderts aus Österreich. Zugleich ein Beitrag zur Metrik des Volksliedes. In: Jahrbuch des
österreichischenVolksliedwerkes8(1959),S.22 51,hier31.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen