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MEDIALE SCHLACHTEN UND DIE
WAHRHEIT` DER PROPAGANDA 143
DerBaier. Oesrödt'sb'ständivondengeistlichenSachendaher,erzählt liebervomKriegwas!
Neulich hab' ich von meinem Hrn. Pfarrer g'hört, das im Fruhjahr recht über einander gehen
soll; i hob ä in einer gewissen Zeitung etwas gelesn, und so viel i mir einbilden ko, so is der
Erlanger Zeitungsschreiber g'wesn; er bringt sonst die g'scheidesten Sachen, ich weis aber nöt,
werseinKorrespondent ist.
DerSachs. Ich habe zwar selbst auch gehört, und in einer bekannten Zeitung N. 227 im
1778 Jahr gelesen, daß Troppau und Jägerndorf von Ihro Majestät dem König in Preussen
solln eingenommen worden sey[n], und täglich 3000 Mann von Bauern und andern Unter-
thanen zur Schanzarbeit und Anlegung der Wälle und Laufgräben sollen angehalten worden
seyn,welchesie sogutsollenbevestigethaben,daßkeinFeindimStandeselbeeinzunehmen.
DerBöhm. Der Erlanger Zeitungsschreiber, ja dieser hat es angeführt, aber dieser hat schon öf-
tersgelogen; ichweisnochgarzuwohl,daßer ineinemgewißenKriegdenKönig inPreussen
so sehr durchgelassen, und eine unverschämte Lüge in seine Zeitung gedruckt, daß er sich
durch selbe den Schlag uß auf seinen Podex gezogen, und von einem preussischen Of zier
seinesWohlverhaltenshalber50ArschkrapfenzueinemRekompensüberkommen.
DerSchlesier. Diesem feinen Knaben ist schon recht geschehen, es ist schon erlaubt den wah-
ren Kriegeslauf unpartheyisch zu beschreiben, keinem aber ist erlaubt über ein hohes Haupt
zu schmähen; man wird auch nicht hören, daß bey der Nobleße und hohen Herrschaften so
niederträchtig,wie indenoffentlichenSchenkenoderBierhäusernwidersohoheHäupterge-
sprochenwird.
DerBöhm. Wahristes,dasgemeineVolkverfehltsichinvielenStückengröblich,undbesonders
wenndergleichenDumköpfebesoffensind,unddießmacht's,weileinePartheygutpreußisch,
dieanderederselbengutkaiserlich ist.
DerBaier. Dös is 'm gmain Mann nit allemal glei also für übl z'habn, wenn er davo rödt, denn
mä wais scho, daß mer allemal viel hab'n leidn müssn, wenn ä Krieg g'wesn is: oft ainer muß
von Haus und Hof, und ko sei Weib und Kinder nimmer ernöhrn, weil ihm d'Soldaten alles
weg gnomma habn, dös Ding thut aim halt gar weah, wenn mä ä so dro denkt, und nachä
weardsuns,globiniemandvorüblhabn.94
Oesrödt's] ihrredet ihobä] ichhabeauchErlangerZeitungsschreiber]diezwischen1741und1829inErlan-
gen(damalsErlang)erschienene Real-Zeitung`,gegründetvonJohannGottfriedGroß,wardasbedeutendste
deutschsprachige politische Nachrichtenblatt der Zeit Arschkrapfen] Stockhiebe auf das Gesäß Rekompens]
Belohnung 'mgmain]demgemeinen globi]glaub ich
Die Referenz auf den Erlanger Zeitungsschreiber` und die Replik des Sachsen, seine
Informationen auch nicht irgendwoher, sondern aus
einer bekannten Zeitung` zu be-
ziehen, positionieren die Bauern in einem zeitgenössischen Diskursfeld, zu dem eben
solche populären Bauern-Gespräche` einen nicht unwichtigen Beitrag leisten. Dass
politische Information und Kriegsberichterstattung zumal über die Grenzen der kon-
iktführenden Parteien hinweg freilich niemals frei bleiben von Ein ussnahme und
Tendenziösität, istauchdenviererstaunlichvernünftigen,wahrheitssuchendenBauers-
leutenklar.
94 FortsetzungdeskriegerischenBauerngesprächs, f. 2v 3r.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen