Seite - 428 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
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428 BRAUCHTUM UND GESELLIGKEIT
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Däßsoll sEssenbössäschmöckä
HammsäschöniMusigmacht.
UndaftvodäTafelwöckä
HammätanztdieganziNacht.
Undda ißnötvielagangä
daßdäSchitelnötänGspais
UnternJungfernanhatgfangä:
Ain,undandernwurdschanhais. 11
DaßsänEifäsucht ißgwösen,
Werdsenkglei selbmeihambildt.
Zwarös ißä traurigsWösen,
Wennäfremdimehrägilt.
Unddaswerdshamöftägfunden:
Haigli ist ä Jungfraugern
Noweitmehrmit ihrenKunden,
AlsäFraumit ihremHerrn.
12
UntäScherzen,Tanzen,Springä
BrächdähelliTaggleian.
Ihätt solln undkuntnöt singä
WeilmähatdäHalswehthan.
GabäsognueUmätreibä;
Gleiwohlhieß: (äs ißwahrä)
WennnägleidäStadelschreibä,
Wennädößmaldadäwä. 13
UndgleiwieseitAdamszeiten
AlliBrautleit ansändbrennt,
Daßmässchanvonalläweiten
AniehnThain,undLassenkennt
GiengsäohniSteurästückeln
NötbeiunsernBrautbara
Was iwaisvondenArtikeln:
Redi indäGhaimnurda.49
6,4 gricht] sich zugewendet 6,5 maring] Morgen 6,7 saring] sorgen 6,8 marodi] schlapp, matt 7,2 Kupelgäzi-
gan] (lat. copulatio) Trauung, Heiratsakt 7,5 Kirä] Kirche (i.e. die Wallfahrtskirche Maria Schnee in Lauffen)
8,1 Schreiner] Pfarrer Johann Schreiner aus Goisern 8,2 cupulirt] getraut 8,4 probirt] bewiesen, ausgelegt
8,7 Schibel] Name des Bräutigams und seiner zu erwartenden Kinder 9,3 vexirn] Späße machen 9,7 Ja wohl]
(hierimSinneeinerVerneinung)keinGedankedaran,keineRededavongranä]murren,mürrischsein10,5 iß
... agangä] hat gefehlt 10,6 Schitel] Teufel 11,2 ei ham bildt] eingebildet, erahnt haben 11,6 Haigli] heikel
11,7 Kunden] Liebhaber, Verehrer 12,5 gnue] genug Umätreiber] Stimmungsmacher, Spaßmacher 13,2 an
sänd brennt] angebrannt sind, (hier) vor Liebe verrückt sind 13,4 iehn] ihrem Thain] Tun 13,5 Steurä-
stückeln]Schildbürgerstreich,Narretei (wohl imZusammenhangmitdembeliebtenVolkstanz Steirischer`)
Dasangesprochene Steirerstückl`wareinUnfall,denSchibl,wohlnichtnurtrunkenvor
Liebe,aufderRückreise inIschlverursachte,wobeiseinefrischAngetrauteeinenSchuh
verlor und offenbar auch ein Kirchbesucher zu Schaden kam. Die Erzählerin aber ge-
winntauchausdiesemwohlnichtallzuschwerwiegendenUnglücknochKomik, indem
sie den Fahrer aufgrund der Umstände aus dem Vertrauensgrundsatz ausnimmt und
dem Opfer die Schuld anlastet. Nach zwei Anekdoten, die zu Spekulationen Anlass ga-
ben, wer denn nun das Sagen im Haus habe, endet der Bericht mit der Heimreise der
GästeundgutenWünschenfürdas jungeEhepaar.
Während hier der Bericht einer Dame von einem männlichen Dichter in Verse ge-
bracht wird, legt die einzige namentlich bekannte Dichterin in einer bairisch-österrei-
chischenMundartvor1800,TheresevonArtner(1772 1829), ihreHochzeitsimpressio-
nenund-wünschedurchauskonventionell einer treu-naivenBauern gur indenMund.
Interessant neben der weiblichen Autorschaft ist auch der konfessionelle Hintergrund,
denn der
Glückwunsch zu dem fröhlichen Ehrentag` entstand zur Feier der Verehe-
lichung des Predigers der evangelischen Gemeinde Harkau (Harka) Samuel Schiller
mit Anna Maria Fabri und wurde vermutlich am 9. Oktober 1798 nach der Ankunft
des Brautpaars aus Güns (K
oszeg) vorgetragen. Warum Artner diese vor allem katho-
lisch assoziierte Liedform des dialektalen Simultanberichts wählt und als Broschüre
49 Ebda.,S.46 48.
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Buch Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Titel
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Untertitel
- Eine andere Literaturgeschichte
- Autoren
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 652
- Schlagwörter
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen