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30 Familienverhältnis. — Eigenart des obersteir. Bauers.
Familienverhältnis.
Noch einiges von dem Familienverhältnis des Bauern. Der Bauer
spricht von seinem "Weibe nie anders als von der „Bäuerin", wie auch diese
ihren Gatten nie anders als „du Bauer" anspricht. Der Bauer übt nach
alter Sitte unumschränkte Herrschaft über das ganze Hauswesen. Die
Söhne und Töchter des Hauses genießen wenig Vorrechte vor den Dienst-
leuten und hei der Arbeit gibt es überhaupt keinen Unterschied. Groß
ist die Kinderzahl auf den Höfen, weil daselbst auch die ledigen Kinder
der Dienstboten mit den Kindern der Bauersleute aufwachsen. Sind die
Kinder dem schulpflichtigen Alter entwachsen, so werden sie alsbald als
Halter, Kindsmädchen etc. verdingt. Der Lohn besteht anfangs meist nur aus
einem Gewand bis später die früher erwähnten Geldlöhne dazukommen.
Der Lebensabend der armen Dienstleute gestaltet sich ungemein
traurig, indem sie bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit in die Einlege
kommen, d. h. von Hof zu Hof wandern müssen, wo sie der Reihe nach
eine Anzahl Tage beherbergt werden. Überall ein ungebetener, lästiger
Gast, muss sich der schutzlose greise Dienstbote, der seine ganze Lebens-
kraft dem Bauer um geringen Lohn geopfert hat, meist mit einem dürf-
tigen Lager im Stalle begnügen, und es bildet dies Wandern zu den ein-
zelnen, oft weit im Gebirge zerstreuten Höfen in der rauhen, langen Win-
terszeit noch immer einen wunden Punkt der Armenversorgungseinrich-
tungen der an Landes humanitätsanstalten so überreichen Steiermark,
deren Landesvertretung übrigens in jüngster Zeit diese Frage in Verhandlung
gezogen hat.
Eigenart des obersteirischen Bauers.
Der obersteirische Gehirgshauer zeigt alle Eigenthümlichkeiten des
Alplers überhaupt. Gegen alles Fremde misstrauisch und daher auch ver-
schlossen gegen Jedermann, den er nicht näher kennt, ist er gleichwohl
leicht zugänglich, wenn man ihn zu behandeln weiß und auf seine Sitten ein-
geht. Immer bildet jedoch ein gewisser se lbs tsücht iger Zug eine
Härte seines ganzen Wesens, der jedoch leicht erklärlich ist, wenn man
in Betracht zieht, wie schwer und mühsam der Alpenhauer dem steinigen
Boden die Frucht seiner Arbeit abtrotzen muss. Mit größter Liehe hängt
der Obersteirer an seiner Heimat, an seinen himmelanstrebeiiden Bergen, wie
in angestammter Treue an seinem Herrscherhause, wie namentlich die
Erinnerung an Erzherzog Johann unsterblich im Volke in zahllosen
Erzählungen fortlebt. Arbeitsam, doch an opulente Nahrung gewöhnt, muthig
bis zur Tollkühnheit, ehrlich und rechtschaffen im Handeln und Denken,
hängt der Bauer zähe am Althergebrachten. Die Über l ie ferung, die
alle seine Ansichten, seine Handlungen und Arbeiten beherrscht, ist ihm
so unentbehrlich wie die Re l ig ion , die, verwohen mit zahlreichen
Bräuchen, die weit in die Zeiten des heidnischen Cultus, wo allein die
Naturerscheinungen und der Wechsel der Jahreszeiten die Phantasie des
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 1
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.45 x 21.56 cm
- Seiten
- 496
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918