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Eigenart des obersteir. Bauers. — Das steir. Volkslied. 31
Volkes beherrschten, zurückreichen, ihm eine feste Stütze in allen Lebens-
lagen und an allen Lebenstagen bildet.
Aber ebensosehr wie die Überlieferung und die Religion die Grund-
züge der Lebensansichten des obersteirischen Bauern bilden, ebensosehr
liegt ihm im Blute die Lust am Liede, die Freude am Tanze
und ein unbändiger Drang, mit der s icheren Büchse toll-
kühn der Fährte der f lücht igen Gemse oder des edlen
Hirschen im Fe l sgewände und Hochw aide zu folgen.
Das steirische Volkslied.
„Der Lieder Klang, so froh und frei,
Aus voller Brust, so wahr und treu,
Ertönt, zum Himmelsblau gewandt,
Dem goldengrünen Steirerland!"
So heißt es in einem der schönsten heimatlichen Lieder, — und
wahr sind diese Worte. Ein gar liederfrohes Völkchen lebt in den wal-
digen Gauen der Steiermark beisammen, und, was der Thau den Fluren,
das ist der Seele des Steirers das Lied. Hell und munter jubelt er seine
schönen Weisen hinaus in die prächtige Alpenwelt, dass es ringsum hallt
und schallt, und doppelt warm schlägt ihm heim Klange derselben das
Herz für seine Heimat, die ewiggrüne Steiermark. Gar eigen-
artigen Reiz verleiht der Duft der Alpenblumen den Bergen der Heimat; so
kennzeichnet auch der Klang der heimatlichen Weisen den Herzschlag
des Steirers in Freud und Leid. Das ste ir ische Vo lks l i ed hat
unter den Liedern der Alpenländer einen ganz besonderen Charakter ;
es vereinigt in sich das Ernste und Kecke, das Wehmüthige und Gemütli-
liche, das Getragene und Schalkhafte in einer ganz eigenartigen Weise,
die bei anderen Volksklängen nicht wiederkehrt. In ihm ist all das
ausgesprochen, was im Steirervolke lebt und liebt und webt, getragen
von schönen, gefühlvollen Weisen. „Das Lied", sagt unser Rosegger ,
„ist des Steirers Seele und Seligkeit. Jenes Volk hat das meiste Heimweh,
welches die meisten Lieder hat, aber es ist auch das tapferste im Streit
und das treueste in der Liebe." Das Steirerlied hat von jeher einen
unwiderstehlichen Zauber selbst auf solche Menschen geübt, denen sonst
der Sinn für Musik gar nicht oder nur in geringem Maße innewohnte;
dieser Zauber liegt vorzüglich in dem ausgesprochenen Gemüthe, das ihm
ganz besonders eigen ist. Man achte z. B. nur auf die Gesänge der Arbeiter
auf dem Felde, der Sennerinnen auf den Almen, der Holzknechte u. s. w. ;
das sind nicht Melodien, die alle Welt singt und klimpert, nicht fremde
Federn, womit die eigene Empfindung des bewegten Herzens ausgeschmückt
wird. Wie sie der Augenblick fordert, werden sie gegeben, den Gefühlen
angepasst, welche herausstürmen aus der übervollen Brust, die sich durch
sie Luft zu machen sucht. Nicht zwei Strophen des Liedes tragen den
gleichen Rhythmus, — die gleiche Bewegung der Melodie. Sie klagt, wenn
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 1
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.45 x 21.56 cm
- Seiten
- 496
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918