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Wildschütz und Schießstand. 37
Wildschütz und Schießstand.
Nebst Sang und Tanz ist den Obersteirern die Lust an dem Herum-
streifen in der gottesfreien Natur, mit der Büchse am Rücken, ins Herz
gewachsen, und seit durch Einführung der Jagdkarten und Waffenpässe der
Jagdlust der armen Burschen immer engere Grenzen gezogen wurden,
kommen dieselben mit den Gesetzen gar oft in Conflict. Schon in uralten
Volksliedern, die jeder Halterbub und jede Sennerin zu singen weiß, klingt
der stete Kampf zwischen Wildschützen und Jägern fort, wobei fast immer
der Jäger vom Wildbretschützen überlistet wird. Die Gestalt jener
Wildschützen aber, welche meist als Deserteure in unzugänglichen Gebirgs-
winkeln, in verfallenen Sennhütten einen verzweifelten Kampf ums Dasein
führten, ist vom Eisenbahn- und Straßen-Ingenieure verdrängt worden, und
lebt nur mehr in der Überlieferung fort. Aber die unbändige Lust,
die oft die Burschen erfasst, hei grauendem Morgen oder in hellen
Mondnächten auf gefahrvollen Steigen der flüchtigen Gemse nachzupürschen
und die Wachsamkeit der Jäger zu täuschen, wird im steirischen Bergvolke
nie ersterben, und es erblickt der Wildschütz, der mit tiefer Verachtung auf
den Wilddieb herabsieht, in seiner Handlung etwas Heldenhaftes, welches
ihm in den Augen seiner Genossen Ruhm und Ansehen verschaffen soll.
Im Schlosse zu Murau füllen die den Wildschützen abgenommenen Gewehre
und sonstiges Jagdzeug ein ganzes Zimmer, und es sind hier gar seltsame
Büchsen zu schauen. Sie sind alle zerlegbar und bezwecken, die Jäger zu
täuschen; das Museum zu Eisenerz besitzt sogar die Windbüchse eines
Wildschützen, die der findige Bursche sich selbst gemacht hat. Trifft aber
der Wildschütz, der meist mit rußgeschwärztem Gesicht zu seinen nächt-
lichen Wanderungen auszieht, auf einsamer Bergeshöhe einmal mit dem Jäger
zusammen, so gibt es oft einen furchtbaren Kampf auf Leben und Tod,
von dem niemand Zeuge ist als der stille Hochwald, und nach Tagen findet
man an der Stelle einen Mann mit durchschossener Brust.
Aber auch der Schießstand, das Sche ibenschießen ge-
hört zu jenen Gepflogenheiten des Obersteirers, die ihm einmal so tief im
Blute stecken, dass er sie nicht lassen kann. Das Scheibenschießen reicht
his in die Zeit vor Erfindung des Schießpulvers zurück, wenn wir auch
erst seit 1532 urkundlich den Bestand von Schießstätten nachweisen
können.*) Früher hatte nahezu jeder große Bauernhof seinen Schießstand im
Walde und noch schmücken die Giebelfronten vieler alter Höfe die Scheiben
mit den Meisterschüssen. Die reichste Sammlung von alten Scheiben
besitzt wohl das Eisenerzer Museum von der Eisenerzer Schießstätte. Sie
reichen bis in das Jahr 1707 zurück und geben ein interessantes Bild
von der regen Antheilnahme der Eisenerzer an den Schicksalen der Monarchie
Md des Kaiserhauses. Siegreiche Schlachten, Friedensschlüsse, Familien-
ereignisse des Herrscherhauses gaben stets Anlass zur Entstehung dieser
*) Dieser Act betrifft die Verfügung Ferdinands I., womit er der Büchsen-
und Armbrust-Schützcngesellschaft zu Judeuburg alle Jahre zwei Beste aus den
Kammergefällen anweist.
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 1
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.45 x 21.56 cm
- Seiten
- 496
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918