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44 Sitten und Gebräuche. 44
Etwa acht Tage vor dem Hochzeitstage geht der Hochzeitslader im
besten Sonntagsstaat, den Steirerhut mit langen färbigen Seidenhändern
und die rechte Brustseite mit einem Blumenstrauß (wenn er verheiratet ist)
geziert, in der Hand zumeist einen mit Bändern und Blumen reich ge-
schmückten Stock tragend, mit der gleichfalls festlich herausgeputzten
Braut (in manchen Gegenden auch allein) von Haus zu Haus, um die Ver-
wandtschaft und Bekanntschaft zur Hochzeit zu laden und betritt das Haus
mit nachstehendem Spruch:
„I bitt um Verzeihung, dass i hereintret'n bin, ohne erlaubt zu fragen;
I bin da im Namen des Bräutigams mit der gegenwärtigen Braut.
Darüber mach' i meine freundliche Einladung,
Hin zum Herrn Ehtreiber zum Fruahstuck.
Dann geh' i auch das Geleit über die Gass'n und Strass'n.
Zum hochwürdigen Gotteshaus, wo der heil. Bischof Rupert! Vorpatron ist.
Dies Brautpaar wird eintreten in das heilige Sacrament der Ehe,
Wo sie mit der Priester Stola verbunden und geheiligt werden.
Dann wünschen wir Ihnen Glück und Segen, Fried und Einigkeit
Durch Ihr ganzes Leben; und dann werden wir herausziehen
Über die ganzen Gass'n und Strass'n und wieder zum Herrn Ehtreiber
Auf eine Gabel voll Supp'n und bissi a Leberfleck und a Trümmerl Wein,
Da soll der N. N. lustig und fröhlich sein." —
Am Tage der Trauung wird morgens in dem Gasthause, wo das
Hochzeitsmahl stattfindet, von den versammelten Hochzeitsleuten, welche
durch den Hochzeitsbuschen, den jeder Gast aufgesteckt hat, gekennzeichnet
werden, ein Frühstück, bestehend in Kaffee, Ralira (Schmalz) — Koch, Wein,
Gugelhupf, bei Sang und Klang eingenommen.
Unter Pöllerschießen und Musikklang erfolgt hierauf der Zug zur
Kirche. Der Bräutigam wird dabei meist vom Priester begleitet, während
beiderseits der Braut der Brautführer und die Brautmutter einherschreiten,
um sie herum gehen die kleinen und großen Kranzeljungfrauen.
In der Kirche werden die Brautleute nach dem Hochamte copuliert.
Nun folgt unter Musikklang der Auszug aus der Kirche ins Gasthaus, wo-
bei dem Zuge allerlei Hindernisse bereitet werden. So finden sich Seile
über den Weg gespannt, oder Schalknarren suchen die Braut zu stehlen
und haben nun die Brautführer ihre liehe Noth, diesem Unfuge zu steuern
und die Hindernisse durch kleine Geldgeschenke zu beseitigen.
Kommt man dem Ziele näher, so wird oft auf einem grünen Anger Rast
gehalten und bei den Klängen der Musikhande steirisch getanzt. Endlich
ist man am Ausgangspunkt angelangt, wo der Wirt die Gäste begrüßt.
Der größte Theil der Hochzeitsleute mit Ausschluss der Braut, Braut-
mutter und Brautführer, begibt sich nun auf den Tanzboden, wo man sich
einstweilen hei Spiel und Wein unterhält, andere wieder gehen in die Küche.
In diesem Durcheinander suchen nun junge Burschen abermals die Braut zu
stehlen, welche, falls dies gelungen ist, dieselbe nur gegen ein Lösegeld
freigehen, welch letzteres abermals die Brautführer zu entrichten haben.
Nachdem, wie oben erwähnt, die meisten Hochzeitspersonen am Tanz-
boden versammelt sind, gehen die Braut, die Brautmutter und der Brautführer
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 1
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.45 x 21.56 cm
- Seiten
- 496
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918