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"Wien - Semmering - Bruck (- Graz). 129
beziehungsweise Mürzzuschlag — Triest, Venedig, Mailand 1842 in Angriff
genommen, während die Ausarbeitung der Pläne des Riesenbaues über den
Semmering längere Zeit in Anspruch nahm, so dass erst 1848, nach den
genialen Plänen des Oberingenieurs Ritter v. Ghega, der kühne Bau,
die erste Alpenbahn der Welt , vom österreichischen Staate in Angriff
genommen werden konnte. Lange Zeit wiithete ein harter Kampf zwischen den
Vertretern des Locomotivbetriebes und den Anhängern des Seilbahnsystemes,
welch letzteres namentlich vom österreichischen Ingenieur-Verein lebhaft befür-
wortet wurde, u. zw. legte dieser vier Projecte vor, worunter namentlich dasjenige,
nach welchem die Stationen Gloggnitz—Mürzzuschlag mittelst einer 14 Rampen
enthaltenden Seilbahn verbunden werden sollten, beifällig aufgenommen wurde.
Dagegen trat Karl Ghega auf Grund seiner reichen Erfahrung entschieden für
den Locomotivbetrieb ein, und es entschied sich schließlich auch die Regierung
für das geniale Project Ghegas, welches in allen Zeiten die Bewunderung jedes
Technikers erregen wird. Ghega, am 10. Jänner 1802 in Venedig als Sohn
eines höheren österreichischen Marinebeamten geboren, absolvierte daselbst mit
15 Jahren den philosophisch-mathematischen Ours und wurde drei Jahre später
von der Universität zu Padua zum Doctor der Mathematik promoviert. Er trat
sodann in den Dienst der Landesbaudirection in Venedig und nach 17 Jahren
in den Dienst der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, welche ihn zum Studium des
soeben in erster Entwickelung begriffenen Eisenhahnwesens nach Belgien und
England entsandte. Heimgekehrt, leitete er hernach den Bau eines großen
Theiles der Nordhahn, um sodann wieder in Staatsdienste rückzutreten, worauf
ihn Freiherr v. Kübeck mit der Oberleitung des Baues der sogenannten südlichen
Staatshahn betraute. Die 14 Theilstrecken des Riesenbaues wurden in der Zeit
vom 8. August 1848 bis 15. Juni 1850 an die Unternehmer vergeben, und es
schritt der Bau derart rasch vor, dass schon am 23. October 1853 die erste
Probefahrt über die ganze Trace mit der Locomotive „Lavant" unternommen
werden konnte. Am 17. Mai 1854 befuhr Seine Majestät Kaiser Franz Josef I.
mit der Kaiserin die Bahnlinie, welche am 17. Juli 1854 dem Verkehre über-
geben wurde.
DieGesammtkosten des Baues, einschließlich der Betriebseinrichtung, betrugen
23,250.231 fl. ö. W. Nach Vollendung des Baues wurde Ghega in den Adels-
stand erhohen und mit Ehrungen überhäuft, erfuhr jedoch, als die österreichischen
Staatsbahnen in Hände von Privatgesellschaften übergiengen, bittere Kränkungen.
Er starb am 14. März 1860. Bildet nun auch die Semmeringbalin selbst für
alle Zeiten das erhabenste Denkmal des genialen Ingenieurs, so sorgte doch
auch der österreichische Ingenieur- und Architekten-Verein durch Errichtung
eines Denkmales hei der Station Semmering und durch Gründung der Ghega-
stiftung für arme Hörer der Technik dafür, den Namen Ghega für alle Zeiten
der Vergessenheit zu entreißen.
Mächtige Höhen, gewaltige Felsenschroffen, schwindelnde Tiefen, reißende
Gehirgswässer und wilde Bergschluchten mussten in steter Folge überwunden
werden, aber alle diese für den damaligen Eisenhahningenieur geradezu giganti-
schen Aufgaben wurden nicht nur glänzend gelöst, sondern es wurde auch ein
Bau geschaffen, dessen zahllose, großartige Objecte für alle Zeiten als ein
Muster solider Bauführung gelten können, und es nimmt die Semmering-
bahn heute noch unter allen Alpenbahnen des Fest landes durch
Kühnheit des Baues und reichen Wechse l der großart igen
Scenerien den ersten Rang ein. Denn während auf den neuen Alpen-
bahnen der Gebirgswall in einem einzigen Riesentunnel durchbrochen wird, und
die Steigungen in gewaltigen Kehrtunnels überwunden werden, und somit auf den
landschaftlich meist schönsten Strecken des Gebirges der Zug im Dunkel ewiger
Nacht, tief in das Innere des Berges versenkt, dahinbraust, umzieht die Semmering-
balin von Payerbach an in riesigen Schlingen den ganzen mächtigen Gebirgswall,
immer neue, herrliche Landschaftsbilder entrollend. In 15, resp. 14 Tunnels
von 52— 1431 m Länge, über 16 Viaducte von 25 — 280 m Länge und
Klausa, Die eherne Mark. 9
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 1
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.45 x 21.56 cm
- Seiten
- 496
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918