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Spital am Semmering. 145
andererseits die Kirche des Hospitales als Mittelpunkt eines immer volkreicher
werdenden Pfarrsprengels, mehr und mehr an Bedeutung gewann, bis die
Baulichkeiten des Spitales allmählich dem Verfalle preisgegeben, zuletzt
nahezu ganz verschwanden, die Kirche aber mannigfaltige Erweiterungen erfuhr.
Die ehrwürdige, von alten Linden umschattete Pfarrkirche , ur-
sprünglich 1160, zugleich mit dem Hospital erbaut, erweist sich heute
als eine Schöpfung von drei Bauperioden. Der ersten, der romanischen,
gehört das einst flach gedeckt gewesene Schiff der Kirche an, welchem
zuerst n. und sodann vielleicht ein Jahrhundert später auch s. niedere,
aber durch Mauern vom Schiffe getrennte Seitenhallen angebaut wurden,
welche wahrscheinlich die ältesten Räume des Hospitals darstellen. Ende
des 13. Jahrhunderts, zur Zeit des Übergangsstiles wurde die Apsis, die
das Schiff der alten Kirche einst abgeschlossen haben mag, abgebrochen
und das heute noch bestehende Presbyterium, von gleicher Länge wie das
Kirchenschiff, angebaut und an der n. Seite desselben der Thurm aufge-
führt. Im 15. Jahrhunderte, am Ausgange der gothischen Stilperiode,
wurde die Kirche abermals erweitert, indem man die Mauern der Seiten-
hallen durchbrach und damit diese Räume in das Kirchenschiff einbezog,
und überdies auf den Seitenschiffen Emporen aufsetzte, die mit dem
Musikchor in Verbindung stehen. Auch die Einwölbung des Schiffes und
der Nebenhallen mit Netzgewölben fällt in diese Zeit.
Die Kirche zeigt ein frühgothisches Westportal und ein romanisches,
zweimal eingestuftes Hauptportal. Im Innern findet sich neben dem Hoch-
altar eine sehr interessante frühgothische P i s c i n a (Kännchennische), die
älteste Steiermarks, und eine frühgothische dreisitzige Session, gleichfalls
die älteste und schönste mindestens der obersteirischen Kirchen, und ein
sehr hübscher barocker Hochaltar.
Die eisernen Thüren der Sakristei stammen von der Räuberhöhle
Cederhaus ; die Kirchenthüren zeigen Spuren von Axthiehen, welche die
Sage den Türken zuschreibt.
Hinter dem Hochaltar befindet sich das Bild der sogenannten Frauen-
brunnkirche mit den letzten Resten des Hospitals. Diese Kirche wurde
unweit der Pfarrkirche 1683 erbaut und bildete einen sehr besuchten
Wallfahrtsort, bis Kaiser Josef II. die Kirche schloss. Später diente sie als
Spital und zu anderen Zwecken, bis sie 1873 gänzlich abgetragen wurde,
um dem jetzigen, stattlichen, einstöckigen Schulhause zu weichen. Ist aber
auch die Frauenbrunnkircbe verschwunden, so sprudelt doch noch immer
mit alter Kraft gar lustig die Frauenbrunnquelle vor und unter dem
Schulhause. Sie wird in einer Brunnenstube gesammelt und versorgt heute
noch nahezu alle Bewohner des Ortes mit ihrem vortrefflichen Wasser
( + 6 bis 8 C.).
Spital, am Südabhange des Semmering, reizend ausgebreitet im
schmalen Thalboden und über die grünen Thallehnen, erfreut sich einer
alpinen, dabei aber windgeschützten Lage, kräftiger Alpenluft, trefflichen
Trinkwassers sowie ausgedehnter Nadelholzwaldungen und wird von Doctor
Ganster besonders Lungenkranken als Luftcurort empfohlen.
Krau ss, Die eherne Mark. 10
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 1
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.45 x 21.56 cm
- Seiten
- 496
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918