Seite - 177 - in Die eherne Mark - Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
Bild der Seite - 177 -
Text der Seite - 177 -
Kiiidberg. 177
bedeutend, dass Kindberg schon anfangs des 17. Jahrhundertes den Sitz der
ganzen Sensengewerksinnung, wo die Zunftlade aufbewahrt war, bildete, und es
spielten die Sensengewerke des Marktes, unter welchen schon damals die Namen
heute noch bestehender Sensengewerksfamilien (so 1690 Simon Fürst, 1706 Zacha-
rias Zeilinger) erscheinen, im communalen Leben des Ortes eine maßgebende
Rolle. Ebenso stand bis gegen Ende des 17. Jahrhundertes die Töpferei im
lebhaftesten Betriebe, und waren hier um 1690 noch neun Töpfermeister ansässig.
Endlich leitete auch der alte Saumweg, der von Ungarn über Hartberg, Pöllau,
Gschaidjocli, Birkfeld, Fischbach auf der Schanz durch das Stanzthal nach Kind-
berg führte, den bedeutenden Getreidehandel Ungarns nach unserem Markte,
welcher auch eine der wichtigsten Stationen des Verkehres auf der großen, über
den Semmering führenden Reichsstraße bildete. Dieser rege Verkehr brachte
aber auch viel fremde Elemente nach Kindberg, wodurch die Sitten und die Bande
des Familienlebens oft sehr gelockert, und die ErwerbsverhäKnisse sehr ungünstig
beeinflusst wurden, und es war um das Jahr 1680 die Blütezeit des Marktes schon
überschritten.
Ängstlich wahrten die Bürger der Herrschaft Oberkindberg gegenüber,
welche innerhalb des Burgfriedens des Marktes lag, ihre Rechte und es gab die
Ausübung des Burgfriedensrechtes innerhalb der Gemarkung des Schlosses, welches
Recht von den Schlossbesitzern stets bestritten wurde, vielfach Anlass zu Streitig-
keiten zwischen Bürgerschaft und Gutsherrscliaft.
Im J. 1529 verheerten die Türken Kindberg, welches insbesondere auch
durch die großen Brände von 1400, 1490, 1737, 1773, 1776, 1792, 1798, 1800,
1802, 1812 und 1815 und durch das Erdbeben am 1. Mai 1885 mehr oder
minder schwer betroffen wurde.
Zur Zeit der Reformation bekannte sich der grüßte Tlieil der Bewohner
des Marktes zur neuen Lehre, bis die unter starker „Guardia" am 25. Juli 1600
hier weilende Gcgenreformations-Commission den Protestantismus gewaltsam
unterdrückte.
Wiederholt beherbergte Kindberg hohe Gäste, so Herzog Albrecht von
Österreich am 30. April 1278, Kaiser Leopold I. am 9. November 1666 und
Karl VI. am 22. Juni 1728. Zur Zeit der französischen Invasion hatte General
Vandamme und später Erzherzog Karl im Schlosse das Hauptquartier.
Am Friedhof zu Kindberg meldet die Inschrift eines Grabsteines, dass hier
Jakob Eduard Schmölzer, k. k. Steuereinnehmer i. R,, Gutsverwalter, Gründer
des Mürzthaler Sängerbundes u. s. w., ruht. Der Stein deckt die Hülle eines der
edelsten Söhne der Steiermark. J. E. Schmölzer wurde, wie die Grabinschrift
meldet, am 9. März 1812 zu Graz, in dem damals seinem Vater gehörigen Hause
am Nikolai-Quai (gegenwärtig Hofhutfabrik Anton Pichler) geboren und hatte
schon als Tjähriger Knabe große Freude am Piccoloblasen. Später erhielt er eine
Flöte und inachte auf derselben so rasche Fortschritte, dass er bereits mit 12 Jahren
in einem großen Concerte mit bestem Erfolg spielen konnte. Ursprünglich zum
Kaufmannsstande bestimmt, widmete er sich jedoch, da er hiezu nicht veranlagt
war, den Studien und absolvierte das Obergymnasium. Mit 17 Jahren hatte er das
Unglück, durch das leichtsinnige Spiel eines seiner Mitschüler, des Sohnes eines
Grafen, das rechte Auge zu verlieren.
Von da an gab Schmölzer, der sich nun, durch Anselm Hüttenbrenner an-
geregt und geleitet, sehr der Musik widmete und dessen Ruf als vorzüglicher
Flötist sich immer mehr verbreitete, jährlich mehrere Concerte in Graz unter
Mitwirkung der besten Kunstkräfte. Im J. 1835 erhielt er eine Anstellung als
Herrschaftsbeamter in Mittelsteier und im J. 1838 die Stelle eines Rentmeisters
im Stifte Rein, wo er sich mit einer Grazer Kaufmannstochtcr vermählte. Schmölzer
wechselte hierauf noch mehrfach die Stationen, doch hinderte ihn dies nicht,
mehrmals als Flötenkünstler größere Kunstreisen nach Wien und Deutschland zu
machen. Sie brachten ihm viele Ehrungen und glänzende Anträge als Musikdirector,
die jedoch der Künstler aus Liebe zur Heimat stets zurückwies. Sein herrliches
Spiel trug ihm auch den Titel „Flöten-Liszt" ein. Nun versuchte Schmölzer sich
1 9
Kran ss, Die eherne Mark. L-J
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 1
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.45 x 21.56 cm
- Seiten
- 496
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918