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239 Das Tragössthal.
aus Großdorf und Pichl, sowie eines gewissen vulgo Simonhauer in Oberort gegen
den Tragösser Pfarrer, welcher sich in die Kirche fluchtete und sich daselbst
einschloss. Während die Bauern hierauf mit ihren Beilen die eisenbeschlagene
hintere Kirchenthür zu zertrümmern versuchten, entfloh der Pfarrer durch eine
Seitenthür ins Freie und ohne Aufenthalt über den Pfarrerkogel nach Aflenz.
Im J. 1708 erfolgte ein dritter Mordversuch gegen den Pfarrer, Johann Georg
Kothschädel mit Namen. Im gleichen Jahre erschlugen die Tragösser den Hof-
jäger Matthias Jörgzacher, 50 Jahre alt (welcher am 21. April beerdigt wurde),
„wobei die von den gnädigen Frauen (Äbtissin zu Göss) dahin abgeordneten Com-
missäre sambt selbigen Herrn Pfarrer kimmerlich ihr Leben salvieren konnten."
Nach „scharfer" Untersuchung wurden die Bädeisführer nach Graz zur Abstrafung
eingeliefert.
Anno 1713 erschlugen die muthwilligen Tragösser Knechte „den alldortigen
Diener undt sein Weib, von welchem einer zu Göss bei dem Ziegelblaz mit dem
Schwerte gerichtet, die anderen aber auf die Göllern verschieckht wurden." In
Verbindung mit diesen Gewaltthaten ist auch wohl die Sage zu bringen, dass am
Platze zu Pichl nächst dem alten Gasthause vulgo Griesmeier im 17. Jahrhundert
rebellische Tragösser Bauern hart gezüchtigt und einer mit dem Tode bestraft wurde.
Das seit 1650 bestehende Landgericht war in dem alten vulgo Hindler-
bauernhofe in Großdorf untergebracht. Gegenüber lag die Wohnstätte des Gerichts-
dieners und konnte man noch vor kurzem die Ringe sehen, an welchen die
Gefangenen angekettet waren. Vor wenigen Jahren wurde über Einflussnahme
des Bezirkshauptmannes von Bruck, Baron Vernier de Rougemont, und wesentliche
materielle Förderung durch Otto Edlen v. Mayr als Kirchenpatron, der prächtige,
aber früher vielfach ruinierte Pfarrhof innen und außen auf das schönste wieder
hergestellt.
K i r che : Mit dem Pfarrhofe und dem alten Gottesacker von
einer Ringmauer umschlossen, erhebt sich, weithin die Gegend beherrschend,
die der heil. Magdalena geweihte, schon 1210 urkundlich erwähnte Pfarr-
kirche, an der n. Seite von einem kräftigen Thurmbaue überragt. Im
vorderen Theile noch romanischen Ursprunges, später gothisiert und durch
einen gothischen Zubau erweitert, erhielt die Kirche durch zwei weitere,
im 17. Jahrhunderte entstandene Anbauten, das heutige Presbyterium
bildend, ihre derzeitige Gestalt, als einschiffigen, im Schiffe gothischen,
mit Netzgewölben überspannten Bau mit dem angefügten Presbyterium in
gewöhnlicher Renaissance-Hallenform.
Im Innern der Kirche ist beachtenswert das in Relief geschnitzte
Bild der heil. Magdalena, angeblich ein Geschenk einer Gräfin Stubenberg,
eine gute Arbeit aus dem Beginne oder der Mitte des 16. Jahrhunderts,
am Hochaltar. Hinter demselben befindet sich die Begräbnisstätte des
erschlagenen Pfarrers Lang. An der Westseite der Kirche zeigen sich
Spuren von Fresken, Christus am Ölberge und dessen Gefangennahme
darstellend, und an der Südseite ein kolossales Christoph - Freskenbild
gothischen Charakters, welches jedoch zur Hälfte durch einen später
erfolgten Umbau verdeckt ist.
Der an der Nordseitc der Kirche situierte Thurm, dessen schlanker Bau
durch ein abgestumpftes Spitzdach entstellt wird, enthält mehrere sehr alte
Glocken, wovon die größte von 1496 und die mittlere von 1585 (mit einem zwei
Bären zeigenden Wappenschilde) stammt, während die dritte eine unleserliche
Inschrift zeigt. Nächst der vom Gottesacker (hübsch geschmiedete Grabkreuze)
umgebenen Kirche befindet sich als Karner die St. Antoniuskapelle, deren in das
untere Gruftgewöibe führende Thür in gothischen Ziffern die Jahreszahlen 1514 und
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 1
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.45 x 21.56 cm
- Seiten
- 496
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918