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288 Aflenz.
(Grazer Domkirche 173'), bei nur 14-90»» lichter Breite, wobei der Bau-
meister, um den Mangel von Seitenschiffen einigermaßen zu maskieren,
die Strebepfeiler 1-85»» tief in den Kirchenraum vorspringen ließ, so dass
zwischen denselben sich kapellenartige Räume bilden. Der Chor zeigt noch
das einfache Kreuzgewölbe, während das Schiff von einem äußerst com-
plicierten Netzgewölbe überspannt ist. Interessant ist, dass die Gewölb-
gurten aus Ziegeln bestehen und die Rippen ganz unabhängig von den
Gurten die Gewölbe durchziehen. Die Portale und Fenster der Kirche
weisen alle charakteristischen Merkmale des spätgothischen Stiles und eine
eigene, aus gekreuzten und sich durchschneidenden Stäben bestehende
Decoration, wie sie auch die Kirche in Göss zeigt. Sehr schön ist der
mächtige Thurm an der Südecke der Westfagade, der die Jahreszahl 1451
zeigt, einige der wenigen Thurmbauten der gothischen Stilperiode, die sich
bis auf unsere Zeit unverstümmelt erhalten haben. Zugleich zur Verthei-
digung eingerichtet, bildet der im massiven Vierecke in drei Geschossen
aufsteigende Thurm mit seinen Schießlucken, über das Eck gestellten Er-
kern und den zierlichen, vom Staffelgiebel gekrönten Dachfenstern, die
Zierde des Kirchenbaues. Aus der gothischen Periode haben sich noch
erhalten eine holzgeschnitzte Statue ober der Thüre des Westportales, ein
hübsches Flügelaltärchen mit figuralen Sculpturen aus der Passionsge-
schichte am Musikchor, und die Brustbilder der Apostel an den Wänden
des Schiffes.
Karner. Neben der Kirche befindet sich der 1517 vom Abte Valentin
Pierer auf romanischem Unterbaue im Achteck erbaute Karner und zeigt derselbe
unter einer Console der Gewölbrippen das bekannte Wappenschild dieses Abtes
(Birnenzweig), gothische Eisenbeschläge und Schlüsselschild mit der Jahreszahl 1517
und einem gothischen Fußboden aus Thonplatten. Im Gruftraume befinden sich ein
höchst merkwürdiger, theilweise noch der romanischen Stilperiode angehöriger
Crucifixaltar aus dem 17. Jahrhunderte. Am stattlichen Probsteigebäude ist ein
steinerner Löwe, auf einem menschlichen Kopfe hockend, gleichfalls noch aus der
romanischen Stilperiode stammend, eingemauert, dessen jeder Naturbeobachtung
spottende Gestalt zu mancherlei Deutung Anlass gab. In diesem Gebäude befinden
sich eine plastische Darstellung aus Pappe der ehemaligen stiftischen Herrschaft
und vier kleine Bilder aus holländischer Schule (auf Glas mit Goldtuschen).
Die bequeme Verbindung, die trefflichen Unterkunftsverhältnisse und
die günstige sonnige Lage am Fuße leicht zugänglicher Alpen und groß-
artiger Gebirgsscenerien, sowie die reizenden Waldanlagen, die ein sehr
thätiger Verschönerungsverein in letzterer Zeit geschaffen hat, haben Aflenz
zu einer der beliebtesten Sommerfrischen Steiermarks gemacht ; andererseits
beginnt sich jedoch auch Aflenz, gestützt auf die statistisch nachgewiesene
Thatsache, dass hier nur 0-06% aller Todesfälle auf Lungentuberculose
entfallen und Aflenz somit gegen diese Krankheit in einem Grade immun
ist, wie kaum ein zweiter Ort Steiermarks, auch als Wintercurort für
Lungenkranke zu entwickeln und ist die Gründung eines Curvereines in
Aussicht genommen.
Anlagen: Diese durchziehen die waldige Thallehne nw. von Aflenz
und führen bald steigend, bald sich senkend, bis in das Fölzthal hinab.
Viele Ruhebänke.
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 1
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.45 x 21.56 cm
- Seiten
- 496
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918