Seite - 420 - in Die eherne Mark - Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
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420 Eisenerz.
Yorau gewandt (1777), um daselbst seine Werkstätte aufzuschlagen, neben seiner
Tischlerei widmete er jede freie Minute seinem Lieblingsstudium der Mechanik
und bot ihm die Stiftsbibliothek so manches anregende Werk und die Erweiterung
seines allgemeinen Wissens. Sein stetig zunehmendes Interesse für die merk-
würdigen Gesetze der Mechanik führte Tendier zuerst zur Erfindung allerlei
Taschenspielapparate, mit welchen er seine Zuseher in nicht geringes Erstaunen
setzte und die zugleich seinen Beutel füllten, dabei vernachlässigte Tendier aber
sein Handwerk keineswegs und finden wir ihn als Holzschnitzer, Yergolder und
Kunsttischler emsig tliätig, wobei insbesondere seine Krippelfigürclien ihn anregten.
Alle diese Beschäftigungen und Studien machten in ihm nun die Idee rege, selbst-
bewegliche Figuren zu schaffen. Damit hatte es nun anfangs allerdings seine guten
Wege und die Schwierigkeiten schienen nahezu unbesiegbar, aber allmählich und
zwar unter dem Einflüsse eines Kaplans in Eisenerz, wohin Tendier 1789 mit
Familie übersiedelt war, welcher als Ex-Jesuit sich gleichfalls mit der Mechanik
viel beschäftigt hatte, begann die Frucht seiner Studien zu reifen und er erlebte
die Freude, mit einigen gelungenen Automaten die Eisenerzer zu überraschen.
Nun vervollkommte und mehrte Tendier rasch seine Figuren und bald hatte er
eine kleine Kunstreitertruppe beisammen, welche nicht geringes Aufsehen machte.
Da konnten die Rosse laufen und mit dem Kopfe nicken und stampfen, die
Reiter auf- und abspringen, Saltomortale schlagen, durch Reife springen und
Ballen werfen, und als Kaiser Franz I. am 20. September 1810 nach Eisenerz
kam, wurde es Tendier gestattet, sich mit seiner Truppe vor dem Monarchen
zu producieren. Die Tendierischen Automaten fanden so großen Beifall, dass
Kaiser Franz Tendier gestattete im Frühjahre 1811 in der Burg zu Wien eine
Vorstellung zu gehen. Auch im J. 1815 producierte sich Tendier mit seiner Truppe,
welche mit den berühmt gewordenen mechanischen Seiltänzer und den Bojazzo
bereichert worden war, vor dem Wiener Congresse und erhielt von den ver-
sammelten Monarchen, und zwar insbesondere auch vom Kaiser Alexander von
Russland vielfach Belobungen und Auszeichnungen.
Später bereiste Tendier mit seinen Automaten viele Städte Deutschlands und
der Schweiz. Er starb am Heimwege von einer dieser Reisen am 28. Juni 1825
in Linz. Außer seinen Automaten waren insbesondere die Darstellungen von
Landschaften und Frachtstücke in Holzintarsie bekannt geworden. Matthias
Tendier hinterließ einen Sohn, den 14. December 1777 zu Yorau geborenen
Johann Tendier. Johann wurde Vater von drei Söhnen: Matthäus geb. 1806, Jo-
hann Max geb. 1811, Josef Tendier geb. 1821. Er starb am 27. Juni 1849 zu
Eisenerz. Johann setzte die Reisen mit den von seinem Vater erfundenen Auto-
maten, zu welchen sich die von Johann Tendier erfundenen sogenannten „trans-
parenten historischen Aufzüge" (Einzug der Götter Griechenlands in Rom, dann
des Kaisers Vespasian in Rom, Passionsdarstellungen etc.) gesellten, fort, und
zwar in Gesellschaft des Tirolers Tschugmal, welcher als Gehilfe bedienstet,
allmählich sich eine genaue Kenntuis der Mechanik der Tendler'schen Automaten
verschafft hatte. Derselbe begann dieselben nachzubilden und auf eigene Faust
mit diesen von ihm gearbeiteten Automaten zu reisen. Gleich seinem Vater bildete
sich auch Johann Tendier autodidakt zum Künstler aus, und zwar als Maler,
und lieferte derselbe sowohl in Historien wie in Porträt und Landschaftsfache
vortreffliche Bilder (siehe insbesondere den Tod des heil. Josef in der Pfarr-
kirche in Gams).
Von den genannten drei Söhnen wurde Matthäus die rechte Hand seines
Vaters und dabei ein ganz tüchtiger Maler, während Josef Tendier akademischer
Maler wurde, seine Studienmappe mit zahlreichen Gemälden vaterländischer Stoffe
füllte und inshesonders auf seinem Lieblingsgebiete, der Blumenmalerei, die
schönsten Erfolge erzielte.
Am bedeutendsten ward jedoch Johann Max Tendier, welcher gleich-
falls akademischer Maler wurde (unter den Professoren Gsellhofer, Ender, Reder,
Kuplwieser und insbesondere Führich, u. zw. unter Petters Direction der Wiener
Akademie).