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Die Radmer. 4 63
Thallehne, mitten aus reizenden Parkanlagen aufragenden kaiserlichen Jagd-
schlosse, ein freundlicher, 1872 errichteter Bau im Schweizerstile und einem
mit hölzernem Giebel- und Galeriensclimuck gezierten Jägerhause, steigen
aus der Niederung zu den Berglehnen hinan, diesen folgt der von Felsen-
gehänge unterbrochene dunkle Hochwald, und zu höchst ragt wieder gegen
Nord das graue Riesenhaupt des Lugauers in des Äthers Blau, während
im Hintergrunde des Thaies, auf kleinem, von der Berglehne ausspringendem
Hügel, die doppelthürmige Pfarrkirche des Grabens auftaucht.
Kaum 30 Min. später stehen wir, an der nördlichen Berglehne
mäßig ansteigend, vor der Pforte der Kirche, neben welcher sich das
freundliche Schulhaus und die schmucken Gehöfte des "Dorfes, soweit die
kleine Hügelkuppe Raum gewährt, ausdehnen. Was auf der Höhe keinen
Raum fand, musste sich in der Niederung ansiedeln und so liegt ein großer
Theil des Dorfes mit dem stattlichen Forsthause und den alten Knappen-
häusern im Thalgrunde.
Besser als alle vergilbten Pergamente und siegelschweren Urkunden
spricht jener prächtige, in der Radmer gefundene Bronzecelt, welcher zu
den Schätzen des Eisenerzer Localmuseums gehört, von dem Alter der
Besiedlung der Radmer. Mächtige Kupfer- und Eisenlager spendete die
Natur dem verlassenen Graben und seit undenklichen Zeiten pochte und
hämmerte hier das emsige Völklein der Bergleute. Zur Zeit des Luther-
thums lauschte das Volk auf das neue Evangelium, welches der Berg-
mannssohn von Eisleben von den Pforten der Kirche zu Wittenberg ver-
kündet hatte, und bald steckten alle Bewohner des Thaies: Bergleute,
Köhler, Holzknechte und Waldbauern, wie später die Pfarrchronik meldete,
„tief in den Finsternissen des Lutherthums". Damals gab es weder Kirche
noch Gottesacker und Schule in der Radmer, und oft konnten die Leute
sechs bis sieben Monate des tiefen Schnees wegen keine Kirche besuchen ;
die Kinder blieben ungetauft, die Todten unbegraben, und so wuchs ein
trotziges Geschlecht empor. Als 1600 die Gegenreformationscommission
durchs Land zog und zur Radmer kam, zögerten die Commissäre, hier
einzudringen, da sie nur 80 Mann Bedeckung hatten, denn sie fürchteten
das „wilde Volk". Zuletzt mussten sie es aber doch wagen, und am 28. Juni
1600 beriefen sie das Volk in das landesfürstliche Jägerhaus, wo den
Leuten Bischof Martin Brenner von Seckau eine scharfe Predigt hielt,
um sie zum katholischen Glauben rückzuführen. Angesichts der Entfaltung
„landesfürstlicher Gewalt" erklärte sich auch das Volk, bis auf sieben
hartnäckige Lutheraner, hiezu willig, nur möge man ihnen eine Kirche
bauen. Erzherzog Ferdinand II., der Katholische, der die Radmer zu seinem
Lieblingsjagdrevier erwählt hatte, baute hierauf jene zweithürmige, stattliche
Kirche, die heute noch durch ihren reichen Stucco- und Freskenschmuck
zu den schönsten und reichst ausgestatteten Dorfkirchen des Landes zählt.
Am St. Laurentiustage 1602 klangen von den Kirchthürmen die
ersten Glockentöne durch den stillen Waldgraben und erfolgte von Bischof
Brenner im Beisein der ganzen erzherzoglichen Familie die Weihe der
Kirche und des Gottesackers, und mag damals wohl auch eine Art Schul-
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 1
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 1
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.45 x 21.56 cm
- Seiten
- 496
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918