Seite - 148 - in Die eherne Mark - Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
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148 Dachstein.
öffnet. Der Steig wurde unter Leitung des Oberingenieurs F. Seligmann in Wien
1888 1890 ausgeführt und eine Strecke von 2 km vom k. k. Forstverein herge-
stellt. Die durchschnittliche Steigung beträgt auf der Hauptstrecke (8900 m) 13-6%,
die Maximalsteigung 20%. Zu den Herstellungskosten widmete Se. Majestät Kaiser
Franz Josef 500 fl. und das k. k. Ackerbauministerium eine Subvention von 2000 fl.
Auf den hohen Dachstein 5—6 Std., roth markiert, bis zur Hunner-
scharte. Der gute Steig umzieht nö. das tief eingerissene Bett eines Wildbaclies,
um sodann wieder nw. über Alpenmatten mit zerstreuten Baumgruppen hinanzu-
geleiten. Nach einer guten halben Stunde tritt der Steig aus der Waldregion und
zieht sodann in mäßiger Steigung längs den Schuttfeldern der Z'uckerhalswand
hinan, um allmählich deren Höhe zu gewinnen. Bis hieher eine starke Stunde. Der
Steig, der bisher stets eine w. Richtung verfolgte, wendet sich nunmehr nach N.
und es beginnt der Aufstieg von der untern in die obere Schwadring. Der Steig-
wendet sich nun ziemlich steil an dem Felsgewände hinauf, wobei die beim Ab-
stiege einzig bedenkliche Stelle, wo im Herbste 1889 Herr Jellinghaus aus Halle
verunglückte, durch ein Drahtseil gesichert ist.
Allmählich wendet sich der Steig einem großen Schuttfelde zu, und durchsetzt
dasselbe in kurzen, ziemlich steilen Zickzackwindungen, um ca. 2% Std. von der
Austriahütte am Fuße der Dachsteinwände anzugelangen. Nun gilt es drei in kurzen
Zwischenräumen hintereinander aufsteigende Wände mit theilweise nahezu senk-
rechter Steigung zu überwinden: Das Brett, die rothe Rinne und die Platte.
Alle diese drei Wände sind jedoch durch Eisenstiften, Draht- und Hanfseile best-
möglichst zugänglich gemacht, so dass ein geübter schwindelfreier Tourist dieselben
bei Vorsicht ohne größere Gefahr überwinden kann. Bedenklicher sind die Strecken
zwischen diesen Wänden, wenn das Seil unter Schnee liegt und der Steig übereist
ist. Hier fanden beim Abstieg Hr. A. Thanliauser und L. Zeitler am 25. Juli 1888
zwischen der rothen Rinne und der Platte durch Absturz ihren Tod.
In 30—40 Mtn. sind diese drei je 10—15 m hohen Wände überwunden, und
wir stehen gehobener Stimmung nun auf der Höhe der Hunn er schart e (2640 m}
dicht am Rande des Schladminger Gletschers. Auf einem der mächtigen Felsblöcke,
die sich hier zusammendrängen, halten wir kurze Rast, die der Führer benützt,
um uns anzuseilen.
Eine neue Welt liegt vor uns entfaltet; die düsteren Mauern und Wände,
die sich bisher vor uns immer drohender und ungeheuerlicher aufgetliürmt hatten,
sind verschwunden, und frei und offen schweift der Blick über die blendend weiße
Firndecke, die nach allen Seiten sich mächtig ausbuchtet und in sanften Wellen-
linien gegen Norden und Nordwest dahinzieht. Darüber bauen sich die höchsten
Felsenzinnen des Gebirges auf, aber sie erscheinen, jede Rippe deutlich sichtbar,
nur mehr wie felsige Hügel.
Man durchquert das Eisfeld in w. Richtung und erreicht bald das große
gegen N. abdachende Karls-Eisfeld. Nun fesselt der Zug des hohen Dachstein und
dann der nach NW. daran anschließende niedere Dachstein unausgesetzt den Blick
und spornt uns zu raschem Marsche an. Nach % stündiger, nahezu ebener Wan-
derung ist man dem Felsengrat des Dachsteins, der Dach st ein schul ter, dicht
an den Leib gekommen, und nun beginnt abermals eine Kletterpartie längs der
Nordwand des Kammes, wobei Eisenstiften und starke Seile die Arbeit fördern.
Der Aufstieg erfolgt nahezu ununterbrochen in mäßiger Steigung, ist jedoch ziemlich
anstrengend. Nach einer starken halben Stunde erreicht man die sogenannte Me ck-
lenburger Tafel, eine Marmortafel mit dem mecklenburg. Wappen, wo der
später beschriebene zweite Weg heraufkommt. Nun gilt es, die letzte Spitze des-
hohen Dachsteins von der Nordseite emporzuklimmen. Nur flüchtig blicken wir noch
auf die Tafel, die an die erste Dachsteinbesteigung durch Simony am 8. September
1842 erinnert, um in nächster Minute unseren Fuß auf die Zinne des Königs der
Berge im Lande Steier-Österreich zu stellen; und nun fliegt der Blick in der Runde
von Spitze zu Spitze, über Thäler und Höhen in freudigem Stolze dahin, über
alles hinweg; dann aber lagern wir uns auf dem kleinen, von Felsblöcken be-
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918