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1 6 6 Das steierische Salzkammer gut.
Ist es auch heute auf der Landstraße stiller geworden, so hallt
doch noch mit unverwüstlicher Lebenslust der Jodler des lebfrischen
Ausseer Burschen über die Seespiegel des Ausseer Landes.
Ja, sangeslustig ist der Hochlandssohn aus dem h e r r l i c h e n
Aussee r Land l wie kein anderer Heimatsgenosse, man steige nur
einmal zu den Almen des Todtengebirges auf und lausche dem Sange der
Sennerinnen.
Es ist ein sonnigwarmer Sommerabend, und feierliche Ruhe herrscht
ringsum in der Natur, ruhelos nur rauschen die Bergwässer den Tiefen
zu, dämmervolle Schatten liegen schon über den Tlialgründen, aber die
sinkende Sonne vergoldet noch die blauen Contouren der Bergeshöhen und
mitten aus dem schattenernsten ringsum aufragenden Felsgewände flammt
ein Purpurschein unter dem letzten Sonnenstrahle an einer Steinmauer auf.
Vor den Hütten sitzt eine Gruppe Brentlerinnen, nach harter Tages-
arbeit rastend. Sie blicken hinab in die Thalgründe, wo ihre Heimstätten
liegen, und lauschen dem Tone des Glöckleins, welches die Gemeinde da
unten zum Ave Maria ruft ; tief und inbrünstig ist ihr Gebet. Das
Glöcklein ist verklungen, die Sonnenglut erstorben, der Abend bricht
heran und die Sterne funkeln am Himmelszelt. Und jetzt stimmen sie an
ihren Sang, zuerst leise und zaghaft, dann im Chore die Stimmen an-
schwellend, um plötzlich in einen frischen Jodler umzuschlagen und das
Lied austönen zu lassen.
Das ist der echte Volkssang, dessen Ursprung niemand kennt, der
im Volke aufwächst und im Volke fortlebt und sich weiterbildet, welchen
jeder Halterbub und jede Sennerin in der freien Natur hört, in sich auf-
nimmt und weiter überliefert, ein Sang, der vom Herzen kommt und zum
Herzen dringt. Wer so glücklich ist, reinen Herzens auf friedvoller Alpen-
höhe diesem Sang zu lauschen, den überströmt ein Gefühl höchster Wonne
und innerster Glückseligkeit und er lernt erkennen, wie schön die Welt
ist, hier auf freier Bergesliöhe, wohin Streit und Neid und das Hasten
und Streben der Menschheit nicht mehr dringen.
Nicht minder fröhlich geht es in den Holzknechthütten zu und auf
den Holzschlägen. Es ist ein Leben voll harter Arbeit und wenn die Holz-
klötze durch die übereisten Riesen zu Thal sausen und die plötzlich los-
gelassenen Wassermassen die in den Seeklausen aufgetkürmten Holzmassen
zu heben und zu bewegen beginnen und die brausenden Wässer durch
wilde Felsenklammen die Baumstämme donnernd dahintragen, da wird so
manches Holzknechtweib zur Witwe und eine Kinderschar zu Waisen.
Kein p ro t z ige r G r o ß b a u e r n s t a n d und ke ine s to l zen
H e r r e n l e u t e r e g i e r e n im Salz k a m m e r g u t e , nur Klein-
häus le r , Sa l za rbe i t e r , Ho lzknech te und Köhle r be s i ede ln
die g rünen Ge lände am F u ß e des T o d t e n g e b i r g e s ; es ist
ein prächtiger tannenschlanker Menschenschlag, der den Typus des
steierischen Älplers am schönsten zum Ausdrucke bringt, und welcher ein
gewisses Selbstbewusstsein zur Schau trägt, da sich das Volk auf seinen
Charakter als k a i s e r l i c h e A r b e i t e r etwas zugute thut. Nirgends.
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918