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171 Das steierische Salzkammer gut.
So ist nirgends in Steiermark die Sitte so a l lgemein verbreitet,
dass die Kinder im Winter mit kleinen Handschlitten zur Schule kommen,
wie in der Ausseer Gegend, dabei treiben die Kinder allerlei Spiele mit
ihren Schlitten, die sie beherrschen wie der Norweger sein Boot, über die
steilsten Berghänge und über die spiegelglatten Eisflächen der Seen sausen
die Kinder im Fluge hinweg, oft bestimmen sie schon von weitem ihr Ziel
und steuern nun pfeilschnell dahinsausend, mit erstaunlicher Sicherheit darauf
los. Diese Schlittenfahrten, das G a i s s e l r e i t e n , stärkt die Muskeln,
macht die Kinder mit den Gefahren der Bergfahrten im Winter vertraut
und dieselben flink und behende.
Vor dem Heiligen drei Königs-Tag durchwandern ganze Scharen alter
mühseliger Leute und Kinder das ganze Ausseer Ländeben, die Klöck le r ,
sie klopfen an alle Thüren und bitten mit dem Rufe: „Zelt, Zelt in aller
Welt, ich bitt gar schön um einen Klöckelkrapfen," um eine Gabe. An
diesem Tage steht manche Hausmutter vom frühen Morgen bis abends
am Herde beim Krapfenbacken und zumeist ist der Bettelsack der Klöckler
abends mit allerlei Esswaaren reichlich gefüllt.
Es kommt der Fasching und so beschwerlich das Leben der Holz-
knechte, Bergarbeiter und Kleinbauern auch ist, so toll treiben sie es im
Fasching mit ihrem Mummenschanz, es beginnt nun ein echtes deutsphes
F a s c h i n g s r e n n e n , wo alles außer Rand und Band kommt vor
Narretbei, und der Mutterwitz der Ausseer sich in vielen drolligen Grup-
pierungen und Maskeraden geltend macht. Im Jahre 1768 schufen sich
die Ausseer neue originelle Maskencostüme an und 1868 wurde die
Säcularfeier dieses Begebnisses solenn begangen.
Heute verwischt die neue Zeit, alles nivellierend, das Volksthüm-
liche und so gibt denn auch das heutige Faschingtreiben nur mehr eine
dürftige Vorstellung von den früheren, einst weit berühmten Ausseer
Faschingscenen. Auch der Schwerttanz der Bergarbeiter, der zum letzten-
mal anlässlich der Anwesenheit Kaiser Ferdinands aufgeführt wurde, ist
der heutigen Generation unbekannt.
Es naht die schöne Osterzeit und nun füllen sich alle Wege und
Stege mit den Pathenkindern, die ihre Gothen besuchen kommen, zu Fuß,
zu Wagen oder auf den Armen der Mutter, aber an diesem Tage darf
das Pathenkind am Tische des Gothen nicht fehlen. Und der Göth ist damit
zufrieden und lässt auftischen, was er zu bieten hat, vorerst die geweihten
Sachen, Brot, Fleisch, Butter, Eier, dann wohl auch Kaffee, Metb und
anderes mehr, ja er tliut es gerne der Göth, denn die Pathenkinder sind
gemüss t e F ü r b i t t e r für die ewige Glückseligkeit, und da kann man
einmal im Jahr schon wohlthätig sein.
In der ganzen Steiermark kennt man das Maibaumsetzen, aber
nirgends ist es so allgemein verbreitet als im steierischen Salzkammer-
gute, AVO überall in der ersten Maiennacht ein schlanker Maibaum bis
zum Wipfel blank geschält in aller Heimlichkeit vor dem Hause desjenigen,
welchen man auszeichnen will, hoch in die Luft wächst und beim Sonnen-
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918