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Mitterndorf. 183
Vor Eröffnung der Eisenbahn, als die Salz- und Eisenfuhren die
Salzstraße belebten und das große Eisenwerk in Grubegg florierte, herrschte
das regste Leben in Mitterndorf, welches zugleich die letzte Poststation
vor Aussee bildete.
Familie Lobenstock. Ein ganz merkwürdiges Beispiel des Fortblühens einer
Bauernfamilie, in welcher sich durch vier Jahrhunderte die Familientraditionen mit
seltener Zähigkeit fortpflanzten, bildet die Geschichte des Hauses Lobenstock. Von
Vater auf Sohn pflanzt sich der ärztliche Beruf von Generation zu Generation fort,
und immer folgt der Sohn den Fußstapfen seines Vaters in allem und jedem, von
einem wahren Gottesvertrauen und werkthätiger Menschenliebe beseelt, werden die
Familienhäupter immer die Samaritaner des Landvolkes ihrer heimatlichen Ge-
meinde und wenn die Familie auch nicht zu vergilbten Pergamentbriefen gelangt
ist, so hat doch der Volksmund aus den Blättern dankbarer Erinnerung einen
un ver welkbaren Lorbeerkranz um die Häupter dieser Familien gewunden. Es ist
gewiss, dass seit nahezu vier Jahrhunderten der eigentliche Beruf sich in der
Familie fortvererbt, doch lassen sich erst vom J. 1677 an bestimmte Geburts-
daten anführen, da die älteren Kirchenbücher verbrannten. Der erste bekannte
Arzt Lobenstock heißt Lorenz, sein Sohn Cajetan, sein Enkel Adam. Dieser
wurde geb. 1677 und f 1735, dessen Sohn Josef wurde geb. 8. März 1768,
t 1. Juli 1777, dessen Sohn Franz wurde geb. 8. October 1738, f 4. August 1818.
Diesem folgte im ärztlichen Berufe Heinrich, geb. 9. Juli 1781, f 4. October 1863,
welchem wieder dessen noch lebender Sohn Heinrich, geb. 14. Juli 1821, folgte.
Charakteristisch ist es auch, dass alle Lobenstock in Mitterndorf geboren wurden
und hier starben. Am weitesten bekannt war der Vater des jetzigen Berufs- und
Namenträgers, welcher unter dem Namen Bader Heinrich im weitesten Umkreise
sich das ehrenvollste Andenken geschaffen hatte. Bis zum 37. Lebensjahre arbeitete
Heinrich als Bauer am väterlichen Gute. Als es bei dessen Vater zum Sterben
kam, gebot er seinem Sohne Heinrich nach Graz zu gehen und daselbst die
Chirurgie zu studieren. So saß der herkulische Bauer mit 37 Jahren auf der Schul-
hank, und nach dreijährigen Studien gieng er als Erster aus der Anstalt hervor.
Der treffliche Schilderer des steierischen Volksthumes, Herr Dechant Jacob
Simbürger in Schöder (damals Pfarrer in Kummitz), erzählt in einer eigenen Bro-
schüre zahlreiche originelle Charakterzüge aus dem Lehen Bader Heinrichs, welche
von dessen frommem Gemüth und dessen Bechtschaffenheit wie von dessen eifrige
Nächstenliebe und Geschick in der Ausübung der ärztlichen Kunst Zeugnis geben.
Bader Heinrich starb hochbetagt 1863. Fünf Jahre vor seinem Tode gab er seinem
damals 32 Jahre alten Sohn Heinrich gleichfalls den Auftrag, nach Graz zu gehen und
daselbst die Chirurgie zu studieren, was derselbe oline Zögern ausführte. Derselbe,
jüngst für sein gemeinnütziges "Wirken durch Verleihung des goldenen Verdienst-
kreuzes ausgezeichnet, baute das alte Familienhaus von Grund aus neu und statt-
lich auf und folgt auf das würdigste den Überlieferungen seiner Familie.
Die Lage Mitterndorfs ist wie geschaffen zu einer Sommerfrische, da
der Weg durch die nahen ausgedehnten Wälder und durch den Steinpass
die Bundtour durch das Salzathal nach Gössl und über Grundlsee und
Aussee zurück und das unmittelbar über Mitte/.idorf sich erhebende Todten-
gebirge eine Fülle kürzerer und längerer w aldpromenaden und Gebirgs-
wanderungen verschiedensten Charakters gestatten.
Wichtig ist insbesonders die 20 Mtn. entfernt in idyllischer Waldeinsamkeit
liegende Schwefelquelle „Heilbrunn", mit einer Temperatur von 20° B. Sie enthält
in einem Pfund Wasser: schwefelsauren Kalk 3'70, schwefelsaure Bittererde 2-80,
kohlensauren Kalk 1*35, salzsaure Bittererde 0*60, Kieselerde 0*25, Extractiv-
stoffe 0T0 Gran. Sie wurde schon im vorigen Jahrhunderte vom Landvolke bei
Unterleibskrankheiten, Hämorrhoiden und Ausschlägen aller Art sowie Gicht mit
Erfolg benützt, woran zahlreiche, an den umliegenden Bäumen angebrachte Kreuze
erinnern. Im Jahre 1841 wurde ein größeres Bassin und ein Badehäuschen mit
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918