Seite - 212 - in Die eherne Mark - Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
Bild der Seite - 212 -
Text der Seite - 212 -
212 Grundlsee.
Hohe dunkle Waldlehnen, im Wechsel mit mächtigen Felsbauten umspannen
enge seine grüne Flut, die sich weit in die Felsmassen des To.dten-
gebirges vorschiebt und trägt der große stille Alpsee das Gepräge tiefer
Melancholie.
Nur an seinem W.-Ende, wo dem See die Traun entströmt, senken
sich die Berglehnen zu einem niedrigen Gelände und ebenso buchtet sich
am O.-Ende des Sees eine schmale Niederung aus, -welche den Grundlsee
vom Toplitzsee scheidet. Wie heller Sonnenschein leuchtet aus dem dunklen
Ufersaume des Sees, an seiner N.-Seite, nahe der Seeklause, der Kranz
reizender Landhäuser, die sich malerisch um den großen Gasthof Schramel
und das neuerbaute Kirchlein gruppieren, hervor. An dieser Seite des
Sees zieht die schöne, 1873 eröffnete Ru d o 1 f s - S t r aß e, immer nahe
des Seespiegels durch parkartige Waldscenerien mit steten Aus- und
Durchblicken auf den mächtigen Wasserspiegel, bis nach Gößl um O.-Ende
des Sees. Anders an der S.-Seite des Sees. Kein Fahrweg führt hier
längs den steil in die Wasserflut abstürzenden dunklen Waldlelmen dahin
und wer Sonntag morgens von Aussee einen Spaziergang zur Seeklause
macht, kann ein reizendes Genrebild aus dem Volksleben genießen; die
Ü b e r f a h r t über den See der Bur schen und D i r n e n , auf
den großen, gar schwerfällig gehauten Zillen, von oder zum Kirchgang
zu den einsamen Höfen an der S.-Seite des Sees. Fröhliches junges
Volk, hochgewachsene Burschen, in der schmucken Steirertracht mit
nackten gebräunten Knien, dem grünen Steirerhut mit Gamsbart und
kecker Schildhahnfeder und der grauen Lodenjoppe und lustige, kernfrische
Dirnen, mit schwarzeidenem Kopftuche und hellfärbigen, seidenen Hals-
tücheln, im Vereine mit älteren Bauern und Bäuerinnen füllen die Boote,
die nun über die große Wasserflut dahingleiten. Melodischer Sang schallt
jetzt von Boot zu Boot, welchen nicht selten der Jauchzer eines über-
lustigen Burschen übertönt. Lange halten sich die Boote beisammen, dann
beginnen sie sich zu trennen, blitzende Wasserfurchen bezeichnen am
ruhigen Wasserspiegel ihren Weg, der herrliche Volkssang beginnt zu
verklingen und bald gewinnt wieder der leuchtende Seespiegel seine ganze
Ruhe und die Zaubergewalt der tiefen Melancholie dieses Alpensees beginnt
wieder mit voller Macht auf das Gemütli des Wanderers zu wirken. Das
schönste Landschaftsbild bietet der See jedoch an klaren Sommer- oder
Herbsttagen in den Abendstunden. Schon beginnen die blauen Nebel-
schleier der Dämmerung den Ufersaum zu umwehen und die im Zenith
blasgrünen Lufttöne gegen die Horizontlinie dunkler und dunkler sich zu
färben, bis ein tiefvioletter Lichtgürtel sich über die Bergconturen senkte
ruhig liegt die schattenernste Wasserflut in ihrem felsigen Bette, aber
noch flammt die Abendsonnenglut auf dem gewaltigen Felsenkranze des
Todtengebirges, auf; ein unvergesslich schönes Landschaftsbild!
Der See enthält viele Saiblinge und Forellen, weiters Rutten und Weißfische,
wie auch Wildenten und Fischottern nicht selten sind. Gefangen werden jährlich
3000 Saiblinge und 280 kg Forellen; dafür müssen jedoch in jedem Jahr 30.000
Stück junge Saiblinge, welche aus einer am See befindlichen künstlichen Fisch-
zucht hervorgehen, in den See eingesetzt werden.
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918