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228 Kottenmann.
werden unter deutschem Gesänge begraben, die Pfarrkinder kommen an den Oster-
tagen auf den benachbarten Hügeln zusammen, um daselbst aus den Händen der
lutherischen Prediger ihre sogenannte österliche Communion zu empfangen ; niemand
betheilige sich an den Processionen, die Taufe erfolge in deutscher Sprache, das Weih-
wasser würde verspottet, das Abendmahl wollten sie nur in zweierlei Gestalt nehmen,
alles Volk laufe nach der Schlosskapelle zu Grünpüchel, den lutherischen Predigern
zu" und dergleichen Klagen, welchen jedoch insbesondere der Entgang der Stola-
gebüren zugrunde lag, mehr.
Die Folge dieser, an den Landesfürsten gerichteten Beschwerden waren Be-
fehle an den Rath der Stadt und die Hoffmanns zur Abstellung der Missstände,
eventuell Entsendung der Pfleger der umliegenden landesfürstlichen Schlösser zur
Durchführung der erlassenen Verordnungen. Trotz aller Befehle blieb es aber
beim alten.
1578—1579 erbaute Johann F. Hoffmann nächst Rottenmann bei Thalhof,
eine prächtig ausgestattete evangelische Kirche, welche am 15. Februar 1599 ein-
geweiht wurde, und berief hiezu Dr. Sennger, welcher einen Jahresgehalt von 400 fl.
bezog und welchem ein Gehilfe und ein Schulmeister beigegeben war.
Über die Pforte der Kirche setzte Hoffmann die Worte; Preces et lacrimae
sunt arma liujus ecclesiae" (Gebete und Thränen sind das Rüstzeug dieser Kirche).
Die mit Waffengewalt durchgeführte Gegenreformationscommission, die am
15. October 1599 in Rottenmann waltete, brach auch hier die Macht des Prote-
stantismus und zerstörte den prunkvollen Kirchenbau bei Thalhof.
Im Juni 1600 fand eine neue Commission statt, wobei noch 20 Bürger der
Stadt erklärten, bei der Augsburger Confession zu verharren und lieber das Lehen
zu lassen, als zur katholischen Religion zurückzukehren.
Noch aber hieng das Volk im geheimen am Lutherthume und es bedurfte
einer neuen Commission, die am 10. Juli 1602 in Rottenmann tagte und wobei die
Bürger mit Eid, Handschlag und Communion sich katholisch erklären mussten,
um die letzten Reste des Lutherthumes zu unterdrücken. Mit der Auswanderung
der Hoffmann, deren fürstlicher Reichthum auf die Wohlfahrt von Rottenmann
maßgebenden Einfluss geübt hatte und der reichsten Bürgerfamilien, sank auch
die Wohlhabenheit dieses Städtchens.
Seit dieser Zeit macht sich Rottenmann in der Geschichte wenig bemerkbar
und auch die Stiftsgeschichte verliert mehr und mehr an Interesse. 1711 verlor
das Stift seine Unabhängigkeit ganz, wobei der letzte Probst Aquilin Hirmer in die
Pfarre Lassing gieng. Nun wurde das Stift vom Chorherren stifte Vorau aus ver-
waltet, um in diesem Jahre mit Decret von 15. Juli 1785 vom Kaiser Josef II. ganz
aufgehoben zu werden, wobei ein Reinvermögen des Stiftes mit 159.626 fl. er-
hoben wurde.
Der Besitz fiel an den Religionsfond, aus welchem er wieder 1824 an Anton
Nagele und weiter 1825 an F. Lamer übergieng. 1827 erwarb Josef Pesendorfer
die Stiftsgebäude, welche bis in jüngster Zeit im Besitze von dessen Erben blieben.
1718 verheerte ein furchtbarer Brand das Städtchen. 1788 hatte sich die
finanzielle Lage der Stadt derart verschlimmert, dass dieselbe mit den Hofdecreten
vom 26. März und 29. Mai wegen misslichen Zustandes der Gemeindecasse und der
daraus folgenden Unmöglichkeit, einen eigenen Magistrat zur Selbstverwaltung za
erhalten, municipal erklärt und in dieser Eigenschaft der damaligen Religions-
herrschaft Rottenmann übergeben wurde.
Umso hochherziger war die Opferwilligkeit der Bürgerschaft anlässlich der
Rettung des Admont'schen Pflegers Münzenberg, welcher infolge der Verwundung
des französischen Majors Vandreß durch einen alten Jäger zum Tode verurtlieilt
werden sollte, durch Erlag eines Lösegeldes von 4000 fl.
Am 26. August 1869 wurde die Bahnstrecke St. Michael—Rottenmann und
am 20. August 1872 jene von Rottenmann durch das Gesäuse nach Weyer eröffnet,
welche Bahnlinien den lebhaften Fuhrwerksverkehr von dem Städtchen gänzlich
ablenkten.
In jüngster Zeit, 1881, wurde die Stadt, die auch 1849 durch eine große
Feuersbrunst verheert wurde, durch eine ganze Reihe von Bränden schwer betroffen,
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918