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286 Das Thal cler Mur.
meldet die Volkssage, die Krakauer (Graggober) erschaffen, welche nun den Spott-
namen die g'stutzten Graggober auf absehbare Zeiten zu tragen haben. Es
ist ein großer und starker, aber auch ein rauher und derber Menschenschlag.
Man muss das Volk an Festtagen sehen, um seine ganze Freude an
den schmucken Gestalten, welche der Sonntagsstaat gar malerisch kleidet, zu
haben. An den Werktagen ist die echte Steirertracht nur wenig zu sehen, aber als
Festgewand kommt die alte Tracht vollauf zu ihrem Rechte.
Nahezu alle Dörfer des Sprengeis des Decanates Schöder (früher auch die
Ortschaften längs der Mur von Murau aufwärts) haben seit uralter Zeit ihre
eigenen Schützengar den, die „Prang", Prangschützen, und da kommen
Uniformen zu Tage, die bis in die Franzosenzeit zurückreichen. Es ist ein gar
seltsames Schauspiel, die Prangschützen bei festlichen Anlässen mit lautem Trommel-
schlag die stillen Dorfgassen der Krakau in Rahmen einer erhabenen Hochlands-
natur durchziehen zu sehen. Hei, wie die strammen Männer in ihren uralten Trachten
mit den martialischen hohen Mützen aus echtem Bärenfell heute trotzig daher
schreiten. Die meisten Schützengarden haben sich schon modernisiert, aber die
Krakauer haben es beim Alten belassen. Die Uniformen bestehen aus weißer Hose,
dunkel grünen Fracks mit rothen Aufschlägen, weißem, über die Brust gekreuzten
Riemenzeug, an welchem Bajonett und Patrontasche hängen und Vorderladerge-
wehren. Vor 60 Jahren hatten die Hauptleute noch gelbe Lederhosen und hohe
gewichste Stiefel. Den Prangschützen schreitet vielfach noch der F ahnen träge r
voran, der sein mächtiges Banner gar wundersam zu schwingen und die Fahne
kunstgeübt in immer neuen Windungen und Wendungen stolz durch die Lüfte
flattern zu lassen weiß.
Am Sonntage nach Oswaldi gibt es in Krakaudorf gar Vieles zu schauen;
die Ini ti e n zuerst, dann der Umzug des Samson und zuletzt kann man sich
auch am Reiftanzspiel zu Schöder erfreuen.
Die Initien sind die zu gewissen Zeiten abgehaltenen festlichen Umzüge der
Pfarrgemeinde um die Kirche. Aber auf der Krakau schreiten im Zuge auch gar
schmucke Hirtinnen dahin, jugendfrische dunkeläugige Dirnen mit der Hirtentasche
zur Seite und dem hohen, mit einem frischen Alpenblumenstrauß geschmückten
Hirtenstab in der Hand und gar keck sitzt den Dirnen heute der hohe grüne
Männerhut, von welchem breite, reich gestickte Seidenbänder bis zu Boden wallen,
auf den dunklen Flechten. Ja auch schneeweiße Lämmleins werden oft mitgeführt.
Und dies farbenreiche Bild erschließt sich nun dem Auge in dem Rahmen
einer friedlichen Alpenlandschaft.
Nachmittags hält der Samson seinen Umzug. Der Samson, der Schrecken
aller Philister, taucht plötzlich aus dem Pfarrhofe von Krakaudorf auf und zieht
umgehen von den Prangschützen, welche mit dem Volke einen großen Kreis um
ihn bilden, vom Kirchbüchel in die Dorfgassen hinab. Er ist gar martialisch anzu-
sehen in seiner riesigen wohlgerüsteten Gestalt; ein Helm bedeckt das lockige Haupt,
welches gar kriegerisch darein schaut, den Körper schützt ein Panzerhemd, von
welchem ein rother Rock bis zur Erde wallt, in der einen Hand hält der Samson
die Eselskinnbacke und in der andern die Lanze oder Hellebarde. Der Hauptmann
der Prangschützen bringt zuerst auf den stets anwesenden Dechant von Schöder,
sodann auf die übrigen anwesenden Honoratioren ein kräftiges Hoch aus, welches
stets von einer Decharge der Prangschützen begleitet wird, hierauf fällt die Dorf-
musik mit einem gemütliliclien Ländler ein, zu welchem der Samson nun in gar
possierlichen Windungen ein Tänzchen aufführt, wobei der Kopf des Riesen sich
nach allen Seiten dreht. Dann aber befreien ein paar starke Burschen den Träger
des Samson auf kurze Zeit von seiner schwereil Bürde. Sind die anwesenden Ehren-
gäste auf diese Weise begrüßt worden, so zieht die ganze Volksmenge mit den
Schützen und dem Samson zu den Höfen des Dorfes hinab, woselbst nun vor jedem
größeren Gehöfte der Samson sein Tänzchen aufführt. Es ist ein für unsere
nordischen Alpenländer unvergleichlich malerisches Bild, welches sich hei diesem
Zuge von dem Kirchenbüchel zu den unregelmäßigen Dorfgassen entwickelt, welche
heute im Schmucke grüner Waldbäumchen prangen. Von den Gallerien der Lang-
und Giebelseiten der Höfe schaut allerwärts in farbenreichen Gruppen das Volk
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918