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Das Thal der Mur. 299
meist mutterseelenallein in der dürftigen Hütte, die außer seinem ärm-
lichen Lager von Grasset nur einige Lebensmittel, Mehl, Speck und
Schnaps, den Trostspender des Einsamen, birgt. Vom frühen Morgen bis
in die Nacht hantiert der Köhler an seinen glühenden Meilern, bis die
Holzblöcke völlig verkohlt sind. Dann zieht der Köhler aus seiner Klause
zu den Gewerken und weiter hinaus ins Land, um seine Kohlensäcke
gegen Bargeld umzusetzen. Dann kann der arme rußige Köhler mit den
Silberstücken klimpern und deren Klang macht ihn zum gern gesehenen
Gaste in den Wirtsstuben. Aber gar bald ist sein Schatz zu Ende und
nun zieht er wieder seiner Waldheimat zu, um sein einförmiges Tage-
werk von vorne zu beginnen.
Nicht minder verschiebt die 1872 eröffnete, das Murthal durchziehende
Rudolf bahn alle bisherigen Verhältnisse. In der uralten geschäftigen Handels-
stadt J u d e n b u r g wird es plötzlich stille und immer stiller, dagegen
blüht das dicht vom Schienenstrange berührte Städtchen K n i t t e l f e l d
plötzlich auf, eine ganze Reihe Industrien siedeln sich hier an und die
kleine Stadt wächst ganz erstaunlich empor.
Auch die so lange verödeten Stiftsräume von Seckau wurden von
Beuroner Benedictinern 1883 neu besiedelt.
Judenburg sucht sich als Sommerfrische einzurichten und schafft
prächtige Anlagen im nahen Hochwald; seinem Beispiele folgen die Märkte
Oberzeiring, Weißkirchen, Obdach, Neumarkt und Seckau, während Unz-
markt von der Murthalbahn neues Leben erwartet.
Nahezu alle Edelsitze sind verfallen oder es hausen arme Leute
oder Fabriksbeamte darinnen, nur Spielberg, das kleine Hautzenbüchel,
Neu-Liechtenstein, Lobming und Prank, dienen noch begüterten Familien
als Sommersitz, aber die alte Wohlhabenheit ist mit den alten Adels-
geschlechtern aus dem Thale gezogen. Das prächtige fürstl. Schwarzen-
berg'sche Schloss Schrattenberg und Schloss Wasserberg in der Ingering
werden als Fremdenpension eingerichtet.
Die unermüdlich für das Landeswohl thätige Landesvertretung von
Steiermark, welche nicht nur durch Errichtung von Landesbürgerschulen
zu Judenburg und Bruck, und eines Obergymnasiums zu Leoben wichtige
Bildungsquellen für das Oberland geschaffen hat,t und gar fürsorglich für
die sanitären Verhältnisse des Murthaies durch die Errichtung von Landes-
siechenhäusern zu Knittelfeld und Ehrnau und von öffentlichen Kranken-
häusern zu Bruck, Leoben, Knittelfeld und Judenburg, nach den neuesten
Erfahrungen mustergiltig eingerichtet, bedacht war, plant auch, durch das
Landeseisenbahnamt neue Bahnlinien, die die Hauptstadt Graz über Köflach
und die Stubalpe und das Lavantthal in Kärnten mit dem Murboden ver-
binden sollen, von wo eine neue Bahnlinie wieder über Hohentauern ins
Ennsthal in Aussicht genommen ist, während die in dem Lungau ziehende
Murthalbahn auch in dieser Richtung dem Murthale neues Lebenselement
erschließen soll, und so mag sich noch einmal das Geschick des Murbodens,
dieser uralten Culturstätte des Oberlandes, gar günstig gestalten.
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918