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360 Judenburg.
Spuren der culturellen Thätigkeit der Römer verwischt haben, aber als der Strom
der Barbaren vorübergerauscht war, und in Jahrhunderten die von Karl dem
Großen ins Land gerufenen baierischen Colonisten dem steierischen Alpenlande
wieder die Segnungen der Cultur brachten, entstand Judenburg neuerdings aus
seinen Trümmern zur schönsten Blüte.
1074, anlässlich der Beschreibung der Güter, welche Erzbischof Gebhart
von Salzburg dem Stifte Admont schenkte, zuerst urkundlich, u. zw. als Judin-
purch genannt, erhielt der Ort schon 1103 wichtige Maut- Zoll- und Stapelrechte
und wird 1148 schon einer Kirche in Judenburg erwähnt. — Um diese Zeit hatte
der Ort somit schon seinen heutigen Namen und derselbe lässt schließen, dass
Judenburg damals schon der Sitz einer großen jüdischen Gemeinde war, deren
unermüdlich reger Geschäftsgeist bis in die fernsten Länder Handelsverbindungen
anknüpfte und so Judenburg neuerdings zum Centrum des immer steigenden Transito-
Handels-Venedigs mit den nordischen Landen machte.
Von der mächtigen Lagunenstadt, in der alle kostbaren Waren des Ori-
entes und der Levante zusammenflössen, wanderten die lateinischen Kaufherren
mit ihren mit Gold und Geschmeide, köstlichen Seidenstoffen, Gewürzen, süßen
Weinen, Balsam und Specereien reichlich beladenen Saumrossen über Kärnten nach
Judenburg, wo sie gemäß des wichtigen Privilegiums Ottokars von Böhmen ddto.
7. September 1276 ihre Waren an niemanden, als an die Judenburger Bürger
verkaufen und über diese Stadt hinaus überhaupt ihre Waren nicht verführen
durften. Dieses, ddto. 19. Jänner 1277 von König Rudolf bestätigte Privilegium
und das uralte Vorrecht, dass alles in Trofaiach erzeugte Eisen nur bis Juden-
burg verfrachtet werden durfte, um hier abgelagert zu werden, wurde die Quelle
eines großartigen Aufschwunges der Stadt, die bald auch das wichtige eigene Münz-
recht erhielt.
Auf Grund dieses Privilegiums mussten die wällischen Kaufleute so lange
in Judenburg verbleiben, bis die einheimischen Häuser ihren Bedarf gedeckt hatten,
hierauf wurde die Bedeckungsmannschaft nach Italien rückgesandt, der Waren-
zug jedoch, unter Bedeckung von eigenen Söldnern, weiter über den Semmering bis
Wiener-Neustadt geleitet. Diese Urkunde räumt auch den Bürgern auf der Strecke
bis und von Wien große Zollnachlässe ein.
Von der Geldgier und der Wohlhabenheit der jüdischen Händler und Wechsler
erzählen die Urkunden manchen charakteristischen Zug, so will Heschel, der Jude,
Forderungen von 100 Mark an das Stift Admont auf 500 Mark hinaufschrauben (1339).
Der Bischof von Lavant stand tief im Schuldbuche des David von Hölssel ; dem Juden
Haslein schuldeten die Görzer Grafen 1800 Mark und dem Juden Hänsel Admont
5000 fl. etc. — Im 15. Jahrhundert war der Reichthum der Stadt so groß ge-
worden, dass daselbst 22 Großhändler etabliert waren, von denen jeder das für
die damaligen Zeitverhältnisse ganz enorme Barvermögen von 100.000 fl. besaß,
während es außerdem noch 38 andere Kaufleute mit einem Barvermögen von min-
destens 50.000 fl. gab. Die Juden wohnten zum großen Theile in einer eigenen
Gasse längs der n. Stadtseite, welche die Judengasse im Gehage benannt wurde.
Die Juden hatten ihren eigenen christlichen Richter.
Gleich in Bruck und Leoben hatten auch hier die Landesfürsten ihre Burg,
welche sich heute noch als Sitz der Gerichts- und politischen Behörden erhalten
hat. Sie diente mehrfach als Witwensitz der steierm. Herzoge.
Im J. 1254 wurde das 1782 wieder aufgehobene Clarissinnen-Kloster am
Nordfuße der Stadt, 1259 das Franciscanerkloster (Minoriten) und 1364 das
Augustinerkloster gegründet. 1420 wurde die heil. Geist-Kapelle des von Ritter
Hanns Greißenegger gestifteten Spitales der Nordseite der Stadt (Pfründnerhauses),
in welchem sechs arme Edelmensch (Adelige) Männer und Frauen und sechs
gemeine arme Menschen versorgt werden sollten, erbaut und wurde in ihrer Gruft
1427 der Leichnam des Stifters heigesetzt.
Der wach sende Reichthum der jüdischen Gemeinde und deren Habgier erweckte
immer mehr den Neid und Hass der übrigen Stadtbewohner, deren viele tief im
Schuldbuche der Israeliten standen und es bedurfte schießlich nur der Ausstreuung
eines jener traditionellen Gerüchte von der Hostienschändung, geplantem Überfall
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918