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4 3 0 St. Oswald.
Der Weg senkt sich von der Propstei alsbald zum kräftigen Pöls-
bach, der hier in tief eingeschnittenem Bett Mühle, Hammer und Säge
treibt, entzückend schöne malerische Motive bildend. Nach Übersetzung
der Pols steigt der Fahrweg stetig zwischen Wald, Wiesen und Feldern
hinan, wobei stattliche Bauernhöfe, deren rothbraunes Lärchengebälke und
deren zierliche Seiten- und Giebelgalerien auf ein hohes Alter weisen,
die Gegend freundlich beleben.
20 Minuten von der Propstei stehen wir am Eingange des Dorfes
St. Oswald.
G. : Joh. Seml i t s ch , Ludwig fl a r tmann und Jac. Horn,
alle mit Fremdenzimmern.
Vo lks schu le : 2 classig, g. 1814.
St. Oswald, Pfarrdorf mit 21 H. und 727 E. (Gemeinde 84 H.,
1414 E.) liegt malerisch in einer waldumschlossenen Bucht an der sw.
Lehne des Rosenkogels.
Die historischen Quellen über St. Oswald sind sehr dürftig. Im J. 135 3
wird eines Vicares von St. Oswald erwähnt, 1363 stiftete der Haupt-
pfarrer Matthias von Pols eine Kaplanstelle. Der Kaplan von St. Oswald
musste alle Sonntag die Messe zu St. Johann am Tauern lesen. Die Pfarre
war einst sehr ausgedehnt, indem ihr früher die Kirchen von Pusterwald,
Bretstein und St. Johann am Tauern incorporiert waren. In den J. 1469
bis 14 76 entstand an Stelle eines älteren, der heutige mächtige Kirchenbau.
In den Jahren 1576 bis 1600 wirkten hier lutherische Prediger.
Am Dorfplatze befindet sich eine Kapelle von 1714 mit einer chrono-
graphischen Aufschrift, welche an die hier in dieser Zeit wüthende Pest
erinnert. Darüber meldet die Pfarrchronik: „Dass dieselbe am 2. September
durch einen erkauften Bauernrock eingeschleppt und das Dorf sodann vom
10. September 1714 bis 8. Juli 1715 eingeschlossen und verwacht, aber
durch die Gnade Gottes wieder von der Wacht liberiert wurde." Im Dorfe
starben 66, in der Umgehung 10 und in Brettstein 5 Personen an
der Seuche.
St. Oswald hat auch einen vom Pfarrer L. Pensemann 1780 gegrün-
deten Armenfond, aus welchem 15 bis 25 Pfründner erhalten werden können.
Die Pfarrkirche St. 0 SAV aid ist ein spätgothischer, durch 4 Pfeiler
in 2 regelmäßige Schiffe getheilter Bau von bedeutender Wirkung mit den ansehn-
lichen Dimensionen von 36 m volle Länge hei 13 m Breite. Der heutige Kirchen-
bau wurde nach den vorhandenen, 3 Bände starken Baurechnungen 1469 vom
Meister Caspar aufgeführt, aber erst 1499 vom „Mai st er Christof Marl von
Rottenmann" (welcher 1498 das Presbyterium der Rottenmanner Pfarrkirche
erbaut hatte) mit hübschen SterngeAvölben versehen. Von den übrigen GeAvölben
ist jenes an der w. Musikempore wichtig für den Verfallscharakter der Gothik.
Der mächtige hochragende Thurmbau erhebt sich an der Westseite. Der 1.
Seitenaltar aufs atz von 1654, von einem Besitzer Hahnfeldens gestiftet, zeigt die
hübsche Architektur des 17. Jahrhunderts. Die Kirche besitzt ein großes, gut er-
haltenes sogenanntes Hungertuch, d. i. ein bemaltes Tuch, mit welchem in der
Fastenzeit der Hochaltarbau verdeckt wird. Dasselbe zeigt in der Malweise den
Charakter des 17. Jahrhunderts und enthält in 5 Medaillons Darstellungen aus
dem schmerzhaften Rosenkranz und den Leiden Christi. Außen an der Kirche
befindet sich vor einer Mauernische eines Grabbildes ein prächtiges Eisengitter-
und unAveit davon ein altes großes Crucifix.
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918