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St. Lambrecht. 5 6 5
Die Baulust des Grafen Inzaghy, dessen Wappen, drei Löwen unter der
Doppelkrone mit zwei Lilien, bei allen von ihm geschaffenen Neu- und Umhauten
wiederkehrt, erstreckte sich aber auch auf den großen Conclavesaal (1738) und
die meisten Conventzimmer (1743), deren Plafonds Stuccozieraten im Rococo-
stile erhielten.
Auf der Hofseite des Portales der Prälatur findet sich jener Inschriftstein,
welcher früher in dem gothischen Thorthurme eingemauert war. Die lateinische
Inschrift meldet, dass das Stift 1482 (1479—1482) anlässlich der Türkengefahr von
Abt Johannes befestigt wurde.
In den großen Stiftshof eingetreten, stehen wir vor der Westfront des Stifts-
gebäudes, welches zwei Höfe, den „kleinen Conventhof" und den „Quadraturhof"
einschließend, im N. nach traditioneller Stiftsanlage durch den Kirchenbau ab-
geschlossen wird.
Scheinbar wie aus einem Gusse erhebt sich die mächtige zweistöckige Ge-
bäudeflucht von über 150 m Länge, a l s d e r u n b e s t r i t t e n s t i l r e i n s t e
S t i f t s b a u Ö s t e r r e i c h s , d a s M e i s t e r w e r k D o m e n i c o S c i a s s i a s ,
ebenso schön, wie großartig und fürstlich in den Verhältnissen, als glanzvolle
Schöpfung italienischer Spät-Renaissance auf deutschem Alpenhoden.
Abt Benedict Pierin aus Venzone war es, welcher den Entschluss fasste,
ein völlig neues Conventgebäude aufzuführen und sein genialer Landsmann, Dome-
nico Sciassia, heute anerkannt als einer der bedeutendsten Renaissance-Baumeister,
waren die Schöpfer des mächtigen Baues.
Am 11. Mai 1640 erfolgte die feierliche Schlussteinlegung des Stiftsbaues;
ohschon derselbe noch nicht vollendet war (Refectorium laut Inschrift erst 1650).
Wir kennen weder den Heimatsort, noch das Geburtsjahr des großen Mei-
sters, wohl aber seinen Todestag, den 20. Februar 1679, und hat sich uns auch
das Porträ t des Künstlers, sowie dessen interessantes Testament erhalten, Avelches
er am 9. Februar 1679 verfasste.
Dasselbe lautet in seinen Avichtigsten Bestimmungen:
„Zum änderten ordne ich an, dass mein Leib in Maria-Zell bei der Gnaden-
kapelle an der Südseite begraben werde. 3. Vermache ich den armen Leuten in
Maria-Zell 40 fl. 4. Meiner Ziehtochter Anna Friedrichinn verschaffe ich 2000 fl.,
doch so, dass das Geld bis zur Vogtbarkeit derselben hei dem Stifte verbleibt und
ihr das Notlüge gegeben Averde; Avenn sie heirathet, mag sie ihrem Manne 300 fl.
zuheiraten, bekommt sie Kinder, so mag sie ihnen die 2000 fl. vermachen; stirbt
sie aber ledig, oder bekommt keine Kinder, so fällt das Geld dem Stifte zu,
ebenso, Avenn sie sich schlecht aufführt . . 8. Vermache ich meine, soAvohl alte,
als neue Architektur und andere meine da befindlichen Bücher dem Abte Franz.
— Endlich ernenne ich den Abten Franz und Convent des weltberühmten Stiftes
St: Lamprecht zum Universalerhen, doch sollen alle Wochen zAvei Messen in Zell
oder anderswo gelesen Averden." (Diese Messen Averden in Veitsch gelesen.)
P. Marian Sterz schreibt in seiner Chronik:
„Aus den Verrechnungen erhellt, dass er (Sciassia) einen Jahrgehalt zu
300 fl. und ein zu 5 % anliegendes Capital hei dem Stifte hatte. Bis 1. Jänner 1673
hat te er Bezahlung, dann nur Kost, Wohnung und Unterhaltung; später legte er
auch noch ein Capital von 2000 fl. an. Bei seinem Tode war ihm das Stift an
Besoldung und ausständigen Zinsen 2967 fl. 20 A , an Capital 3200 fl. schuldig.
E r starb, Avie erwähnt, am 20. Februar 1679, und liegt an der von ihm bestimmten
Stelle in Maria-Zell begraben. Das Stift bekam noch einen Überschuss von
5312 fl. 3 ß 18 A.u
Auch die Kirche erhielt damals ihre heutige reiche Fagade mit dem präch-
tigen Marmorportale im reinsten italienischen Renaissancestile, 1645, und im Innern
neue, sehr schöne Altarbaiiten im Stile der Zeit; doch zeigte s ichjbei dieser
Restaurat ion der Kirche Sciassia abermals als kunstverständiger Architekt, indem
er den alten gothischen Kirchenbau unverändert ließ und sich nur auf die Schaffung
neuer Altarbauten beschränkte.
Über die Prioratsstiege gelangen Avir auf breiter Treppe in das erste Stock-
Averk, von AVO uns ein herrliches M a d o n n e n b i 1 d , von einer Lieblichkeit und
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918