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5 6 6 St. Lambrecht.
schlichten Anmuth des Ausdruckes , wie sie nur den deutschen Schulen anfangs des
16. Jahrhunder t s eigen war, holdselig entgegenblickt.
D a s kunstvolle Bild, Avelches zu Füßen Mariens Abt Valentin Pierer zeigt,
s tammt von 1524 und dürf te seiner hohen Schönheit nach zu schließen der Dürer ' -
sehen Schule nahe verAvandt sein.
Nächs t diesem Madonnenbilde fesselt das die Clausur beschließende Eisen-
gitter das Auge durch den kühnen Schwung seiner Benaissance-Formen.
Nun stehen wir im Corridor des ersten Stockwerkes, in welchem uns sogleich
die raumesgroße vornehme BauAveise Sciassias überwält igend entgegentritt .
In nicht geringerer Länge Avie von über 127 m durchzieht die mächt ige
Stif tsanlage ihrer ganzen Längenausdehnung nach, der 3 m 40 cm breite, im
Scheitel des Gewölbes 5 m 67 cm hohe geAVölbte, gegen den Hof raum in Bogenfenster
ausladende Gang, aus dessen edlen Profil ierungen und fein gedachten, antikisie-
renden Friesverzierungen, sowie nicht minder in den Fens tern und Thürgesimsen
aus unpoliertem Marmor uns der vornehme Charakter der i talienischen Renais-
sance auf das anmutli igste entgegentrit t . Von diesem Hauptgange zAveigen drei
Seitengänge ab. Von diesen ist der von der Prioratsst iege zwischen dem Quadra tur -
imd dem kleinen Conventhof hinziehende sogenannte Clericatsgang mit nahezu
70 m Länge der größte.
Die mächt igen Pfeiler der Höfe, soAvie sämmtliche Thür - und Fens ters töcke
bestehen aus gelblichem Marmor , gehrochen am F u ß e des nahen Kalkberges, noch
jetzt zu Grabsteinen verwendet. Nach Abt Pier in (f 1662) wurde ein bläulicher
Marmor venvendet .
Von der Priorats t iege 1. liegt die F lucht der Gemächer des Priorates, Aväh-
rend r. der prunkvolle Kaisersaal und die alte P rä la tu r sich anschließen.
Alle Gemächer des Conventes zeigen die gleiche mächtige Höhe der Gänge
von 5 m 67 cm oder nahezu 18 F u ß und diese raumesgroße BauAveise verleiht
dem Stif tsbau einen palastart igen, festlichen Charakter . Durch ein prächtiges Mar-
morpor ta l betreten Avir den 1645 hergestell ten, 22 m 10 cm langen K a i s e r s a a l ,
den prunkvollsten Fes t raum des Stiftes, Avelchen gemäß der Bes t immung des Rau-
mes Sciassia mit der ganzen Fül le der üppigen Ornament ik der Spätrenaissance
in Stucco zierte und Avelchem die Reihe Bflder der Kaiser von Maximil ian bis Fe r -
dinand III. zum besonderen Schmucke gereichen.
Hier bei diesem Saale, Avie bei allen übrigen, unter Abt Benedict Pier in
ausgeführten Bauten erblicken Avir das Wahrze ichen dieses Abtes , einen B i r n e n -
z w e i g m i t d r e i B i r n e n , Avelchen der Abt mit Anspielung auf seinen Famil ien-
namen (Piera—Birne) auf allen seinen baulichen Schöpfungen anbringen ließ.
D e m Kaisersaale gegenüber liegt der größte Saa lbau des Stiftes, der
22*48 m lange und 1 P 3 8 m breite, um 1650 erbaute Conclavesaal, welcher 1738
an den Decken und W ä n d e n unter Abt Eugen mit der zierlichen Flachornament ik
des beginnenden Rococo geschmückt wurde.
An den W ä n d e n befinden sich die Por t rä t s dgr 50 Prä la ten des 'Stiftes,
nebst jenem Franz I. und seiner Gemahlin Mar ia Theres ia (letztere W e r k e des
Hofmalers v. Lampi) . E ine Ecke des benachbar ten „grünen Saales" ziert ein im
GussAverke zu Ehren des Gründers des Werkes , Ab t Eugen, hergestell ter, reich ge-
arbei teter Eisenofen.
Vom Conclavesaal s. den Corridor verfolgend, gelangt man in die soge-
nannten Fürs ten- oder Kaiserzimmer, einst bestimmt, Gäste hohen Ranges zu be-
herbergen.
Ober diesen Fes tz immern liegen das Natural iencabinet , Avelches eine große
Sammlung ausgestopfter Vögel, in Avelcher besonders die Schwimmvögel, Reiher
und Entengat tungen reich vertreten sind, die F ruch t jahre langen Fle ißes des be-
rühmten Ornithologen und St. Lambrechte r Stif tspriesters P. B l a s i u s H a n f ,
sowie die sehr interessante Sammlung des bekannten Insectensammlers P. Cölestin
Kodermann (f 1883) birgt. Nächs t diesen Sammlungen, Avelche auch einen 1859
nächst St. Lambrech t geschossenen Luchs enthalten, befinden sich die erst in En t -
Avickelung begriffene Mineralien-, Muscheln- und Pf lanzensammlung. Diesem s. aus-
springenden dreistöckigen Eckbau entspricht der n. an die Kirche sich lehnende, \
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Band 2
- Titel
- Die eherne Mark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Band
- 2
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- Leykam
- Ort
- Graz
- Datum
- 1892-1897
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 14.1 x 20.37 cm
- Seiten
- 613
- Schlagwörter
- Steiermark, Heimatkunde
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918