Seite - 89 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
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Gräfendorf. Gasthäuser: Lorenz Gerngross,
Fleisch-hauerei,
Sitzgärtchen; Pichler, beide mit Fremdenzimmer; Fischer,
Bäckerei; Haas, Bäckerei; Kazianer, Meier, Bäckerei, zugleich
Fiaker. — Einspänner nach Hartberg 1 fl. 50 kr., Zweispänner 2 fl.
nach Vorau, Pinkafeld und Pöllau 4 fl. — Post- und
Telegraphen-amt,—
Vereine: Militär-Veteranen-Verein, gegründet 1883;
Safen-thaler
Bauernverein, gegründet 1886. — Schule vierclassig.
Grafendorf, Pfarrdorf mit 66 Häusern und 684 Ein-
wohnern, erscheint schon Ende des 13. Jahrliundertes als
selbstständige Pfarre. Die Kirche in Kreuzform mit der Front
nach Westen im Renaissancestyle, wahrscheinlich im 17. Jahr-
hundert erbaut, zeigt aussen zwei interessante Römersteine,
innen aber mehrere schöne Grabdenkmäler, und zwar des
Grafen Georg Christof von Trautmannsdorf, f 9. Hornung
1650, der Gräfin Maria Salome Steinpeiss, f 8. April 1689,
des Ehrenreich Grafen von Trautmannsdorf, f April 1669
uud des Wolf Friedrich Grafen Wurmbrand, der 1704 von
den Bauern als des Einverständnisses mit den ungarischen
Rebellen verdächtig, ermordet wurde. Der Thurm der Kirche
ist unten viereckig, geht aber oben ins Achteck über und ist
die Kuppel mit Schindeln gedeckt. Hier wurde im Jahre 1716
Josef Deibel geboren, der 1793 in Dresden als churfiirstlich
sächsischer Hofgalerie-Bildhauer starb. Ein Student aus Grafen-
dorf, der Sohn des Schullehrers Gletthofer, brachte Ende
vorigen Jahrhunderts zuerst seiner Schwester, dann seinem
Vater und anderen Leuten in Grafendorf gewisse religiöse
„Irrlehren" bei, welche bald auch in den Pfarren Hartberg
und Kaindorf viele Anhänger fanden.
Sie behaupteten, die Kirche, Ceremonien, der Gottesdienst und
die Sacramente seien unnütz, da Gott überall im Geiste und iu der
Wahrheit, namentlich aber in freier Natur verehrt werden müsse.
Im Soldatenstande Feinde zu tödten hielten sie für unerlaubt; etwas
zu entfremden, was man zu seiner Nothdurft braucht, sei keine Sünde,
es gebe kein Fegefeuer und keine Hölle. Sie nannten ihren Glauben
den wahren katholischen und stützten ihn auf die heil. Schrift, welche
sie dahin auslegten, dass aller Gottesdienst nur im Herzen vor sich
gehen müsse. Daher verwarfen sie den Katechismus mit all' seinen
Dogmen, hielten jedoch viel auf das Evangelium. Diese Secte schloss
sich bald dem im Rufe grosser Frömmigkeit stehenden Pfarrer
Engel-bert
Maurer in Loipersdorf bei Fürstenfeld an, und nannten sich die
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Titel
- Die nordöstliche Steiermark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- -
- Ort
- Graz
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.93 x 17.9 cm
- Seiten
- 498
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918