Seite - 106 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
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tiefen Waldschluchten und steinigen Hängen, von kleinen Hoch-
flächen und aufstrebenden Kuppen erfüllt das Land, nament-
lich im weiten Umkreise von St. Jacob. Die Schönheit des
Landes liegt in seinen wunderbaren Waldschluchten, durch
welche tosende Wildbäche über mächtige mosige Felsblöcke
dahinrauschen. Die Jackler, die in Rosegger einen so ausge-
zeichneten Schilderer gefunden haben, könnten kaum ihr Leben
fristen, wenn sie nicht so aufgeweckt, rührig und genügsam
wären, denn nur in harter Arbeit kann dem steinigen Boden
Hafer und Gerste, etwas Roggen und das nöthige Heu zur
Viehzucht abgerungen werden. Die Bauernhöfe sind weit zer-
streut an den Hängen und die Dörfer bestehen meist nur aus
wenigen Häusern, unter welchen der Pfarrhof wie ein Herren-
schloss sich ausnimmt. Die Höfe der Jackler in der Einschiebt
sind so ärmlich, wie der Boden unfruchtbar, worauf sie stehen,
und das tägliche Brod ist gar kärglich, das fette Kochen der
Speisen, wie in Obersteier, kennt man hier nicht, höchstens
werden Mehlspeisen in Leinöl ausgebacken. Aepfel und Birnen,
die vereinzelt gedeihen, werden zu Spalten zerschnitten und
getrocknet und im Winter verspeist. Das tägliche Gericht ist
aber eine Art Milchsuppe, in welcher Mehl eingekocht wird.
Fleisch gibt es nur an hohen Festtagen, da alles gezüchtete Vieh
in's Mürzthal hinaus verkauft wird. Merkwürdig ist, dass in den
Sommer- und Herbstmonaten so viele Jackler in die Fremde
wandern, als Maurer, Weber und Zimmerleute, und zwar nach
Obersteier bis nach Niederösterreich hinaus, im Herbste kehren
sie jedoch mit wohlgefülltem Beutel wieder in das Jackelland
zurück. Zur Erntezeit ziehen auch viele Dirnen als Schnitterin-
nen ins Mürzthal hinaus, und bedingen sich die Mägde meist
schon bei der Dienstaufnahme diesen drei- bis vierwöchentlichen
Wanderzug aus, auf welchen sie sich ebenso viel verdienen, wie
ihr Jahreslohn (15—20 fl.) beträgt. — Wie bei allen abge-
schlossenen Gebirgsvölkern hat sich auch bei den Jacklern
eine tüchtige Hausindustrie ausgebildet und wird namentlich
in jedem Hause ein leichter Loden „Wifling" gewebt.
Der Menschenschlag ist nicht unschön, mehr hochge-
wachsen als untersetzt, Cretins fehlen nahezu durchwegs. Trotz
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Titel
- Die nordöstliche Steiermark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- -
- Ort
- Graz
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.93 x 17.9 cm
- Seiten
- 498
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918