Seite - 266 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
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erste Instanz zu entscheiden; das Appellationsrecht an den Vicedom
in Steier bleibt den Parteien vorbehalten."
Um die durch den Puggl'schen Vertrag erfolgte
Beeinträch-tigung
der landesfürstlichen, der Stadt Hartberg verliehenen
Privi-legien
vollends würdigen zu können, recapituliren wir hier diese
Stadtrechte: Den 25. Mai 1310 gibt Herzog Friedrich den Bürgern
das Recht, ihre Richter selbst zu wählen, und erweitert die
Com-petenz
des Stadtgerichtes auf Klagen betreffs in ihrer Stadt
contra-liirten
Schulden. Herzog Wilhelm verfügt am St. Margarethentage
1401, dass alle Streitigkeiten und Rechtsverletzungen der Bürger
von den Bürgern selbst geschlichtet und die mit Arrest Bestraften
nur zu Hartberg in Gewahrsam gebracht werden dürfen. Damit
war dem Stadtgerichte im Bereiche des Burgfried die volle
Juris-diction
zugesichert. Ja gegen Erlag des jährlichen „Remanenz" war
die Stadt sogar im Besitze des Landgerichts, dessen Gerichtsbarkeit
sich bis nach Vorau erstreckte, bis letzteres 1517 von Hartberg
ab-getrennt
wurde. Die Raths verwandten oder Magistratualen
hatten in ihren Häusern eigene Kerker, wie sie z.B. im
Res-savar'schen
und Schickli's Hause noch heute zu sehen sind. Diese
Rechte der Bürger blieben unbestritten, so lange die landesfürstlichen
Güter durch Pfleger verwaltet wurden, erst mit der Verpfändung
dieser Kammergüter an Adelige begann die Beeinträchtigung der
Stadtrechte durch die Pfandinhaher.
Am 5. März 1572 übernahm Johann Baptista von Paar das
Pfandrecht auf Schloss und Stadt Hartberg mittelst Vertrag von
Puggl, der später am 10. März 1574 mit Erzherzog Karl direct
erneuert wurde. Mit dem vorher genannten, sogenannten Puggl'schen
Vertrage und der Uebernahme der Pfandinhabung durch die Herren
J. B. von Paar, erschloss sich für die Stadt Hartberg und ihre
Bürgerschaft, eine Quelle massloser Unbill und Beeinträchtigung ihrer
Freiheiten, die zu den traurigsten Capiteln der Rechtsgeschichte des
17. Jahrhunderts zählen. Paar liess sogleich nach Uebernahme der
Pfandinhabung die Geschütze der Stadt in das Schloss führen,
be-handelte
die Bürger wie seine Unterthanen, und setzte den
Stadt-richter
in Arrest. Vergebens beriefen sich die Bürger auf ihre
landes-fürstlich
bestätigten Freiheiten, und gelang es ihnen auch, eine günstige
Entscheidung in erster Instanz zu erwirken, so kümmerte sich Paar
nicht im Geringsten um die behördlichen Weisungen oder er erwirkte
von den obersten Hofbehörden, wo seine ganze Schwäger- und
Ge-vatterschaft
hohe Aemter und Würden bekleidete, sicher die
Aen-derung
des Urtheils zu seinen Gunsten, und so waren die Bürger
Hartbergs schutzlos der Willkür Paar's preisgegeben. Paar machte
neue, immer grössere Eingriffe in die Stadtrechte, und blieben die
wiederholten, von der Landesregierung zur Schlichtung dieser
Streitig-keiten
abgesendeten Commissionen regelmässig ergebnislos. Im Jahre
1612 forderte der damalige Pfarrinhaber Rudolf von Paar von der
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Titel
- Die nordöstliche Steiermark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- -
- Ort
- Graz
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.93 x 17.9 cm
- Seiten
- 498
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918