Seite - 276 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
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mit ihren mächtigen Siegeln an den Pergamenten und alten
Siegel-stöcke,
die prächtigen Innungsladen und Zunftbecher, schöne
schmied-eiserne
Handwerksschilder, eine kleine Trachtensammlung, darunter
die reichgestickte Weste eines Rathsherrn, Taufhäubchen etc. Sehr
reich sind die Rechtsdenkmäler vertreten, die meist aus der
Burg-veste
Neuberg stammen, so finden sich an Strafwerltzeugen eine
Fidel, eine eiserne Schandmaske, llandeisen, Handschloss und
Leib-eisen,
sowie ein Stuhl mit auffallend kurzer Lehne, der zu
Hin-richtungen
mit dem Schwerte gedient haben soll. Auch die Freiung
und der hübsch geformte Richterstab von 1662 gehören zu dieser
Ahtheilung. Die Waffensanimlung ist relativ noch klein, doch finden
sich auch hier manche hübsche Stücke, so zwei Parade-Degen mit
reich gravirten Klingen und figuralem Griffe. Die frühe, eingravirte
Jahreszahl 1414 ist verdächtig. Auch die hübsche Münzen- und
Bankozettel-Collection wird ihre Freunde finden. Wahre
Pracht-stücke,
welche dem Museum einer Grossstadt zur Zierde gereichen
würden, ist der mit Rothstift gezeichnete Carton Dr. Schöpfer's
„Einzug Christi in Jerusalem", welche geniale Composition
an Schärfe der Charakterisirung und Schönheit der Gruppirung
leb-haft
an Kaulbach's gewaltige Schöpfungen erinnert, und der
präch-tige
Stich „Diogenes mit der Laterne" von Yeit Kauperz. Sehr
schön ist auch das grosse Fahnen - Doppelgemälde aus der unter
Josef II. demolirten Magdalenen- und Johannes-Kirche gegenüber
der heutigen Postl'scben Mühle. Einen würdigen Abschluss finden
die Sammlungen des Museums durch das Album mit den von
biogra-phischen
Skizzen begleiteten Porträts aller um Hartberg verdienter
Männer. Ist heute das Museum auch noch mehr Sammelstätte als
Museum, so hat es doch damit seine Aufgabe zum weitaus grössten
Theile erfüllt, denn heute handelt es sich in erster Linie um Rettung
der letzten Reste des Yolksthümlichen, der historischen Erinnerungen
und Alterthümer überhaupt; ein systematisches Ordnen der
Ob-jecte
kann später erfolgen; eine wahre Lebensfrage der
Localmuseen ist jedoch die Wahrung ihres localen
Charakters, denn hievon hängt ihre
Existenzberech-tigung
ab.
Nebenan befindet sich die Directionskanzlei und die
Dienstes-wohnung
des Directors der Bürgerschule, 3 Zimmer sammt Zugehör
umfassend. Die Cabinete sind verhältnissmässig gut mit Lehrmitteln
versehen, die auch für jede Unterrealschule ausreichen würden,
Inven-tarswerth
circa 9000 fl. Mit der Landesbürgerschule ist seit drei
Jahren auch eine gewerbliche Fortbildungsschule für
Lehr-linge
verbunden. Sie ist Pflichtschule für Lehrlinge und wird dieselbe
vom Staate, vom Lande, von der Handelskammer und der Stadtgemeinde
Hartberg subventionirt. Den Unterricht ertheilen die Fachlehrer der
Bürgerschule, und zwar an Sonntagen Vormittags und an Werktagen
Abends. Der von circa 70 Schülern frequentirte Fortbildungscurs-
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Titel
- Die nordöstliche Steiermark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- -
- Ort
- Graz
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.93 x 17.9 cm
- Seiten
- 498
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918