Seite - 292 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
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Trockenmauerwerk erbaut, sich circa 6 Meter über dem Plateau,
dessen Jungholzbestand immer niedergehalten wird, erhebt.
Der Ringkogel (795 M.), das Wahrzeichen von Hart-
berg, zweigt vom Gebirgsstock des Masenberges frei aus-
springend nach Osten ab, und ermöglicht somit seine isolirte
Lage nach drei Seiten, und zwar nach Nord, Ost und Süd,
eine unbeschränkte Fernsicht.
Zu unseren Füssen erblicken wir das sogenannte
„Habers-dorfer
Moos", ein feuchter Moorgrund, der einst ein grosser See,
der Edelsee genannt, gewesen, und in dessen Fluthen ein Schloss
ver-sunken
sein soll. Im Norden gewahrt man den Wechsel, die Hilm, den
Hartherg, den Spitzriegel, den Sparbereggerkogel, die Schlösser
Piei-tenau
und Kirchberg im Walde, dann Grafendorf, die Ruine
Thal-berg,
die Stadt Friedberg, Schloss Bernstein, Schmiereith und
Rech-nitz
in Ungarn; im Osten die Günser Berge, Allhau, Oberwarth,
Wolfau, die Gegend um Stein am an ger (an besonders reinen Tagen
soll man die Kuppel des Domes sehen), St. Johann; im S Ii d e n
Güssing, St. Gotthard, Neudau, Waltersdorf, Fürstenfeld, die
Riegers-burg,
die Gleichenberger Kogeln, Wotsch und Donatiberg, den Bacher,
Possruck, die windischen Büheln, den Koralpenzug, die Petzen etc.
Die Aussicht ist somit überraschend lohnend. Die Sage
berichtet, auf der Höhe des Ringkogels sei das Schloss
Krottenstein gestanden, und weisen tatsächlich ein
ring-förmiger
Erdwall, Reste von Grundmauern, sowie die Localnamen
der Umgebung, Spielstätte und Pflanzenstätte, auf einen hier
bestan-denen
befestigten Ansitz. Von den vielen Sagen, die sich an den
Ringkogel knüpfen, ist weitaus am interessantesten nachstehende,
an den altgermanischen Hertha-Cultus erinnernde Sage:
„Am Sylvestertage, alle sieben Jahre, konnte man auf
der südwestlichen Seite der Mauer, am Ringberge, (!) gegen das
fruchtbare Feistritz- und Safenthal, ein grosses Loch bemerken, aus
dem jederzeit gegen 12 Uhr Mitternacht ein Schwein hervorkam.
War dieses dürr und mager, und hatte es nur Stoppelhalme im
Maul, so hatte man sieben Jahre voll Sorge und Elend zu
erwarten. Es bedeutete dies für diese Zeit hindurch nicht nur keine
fruchtreiche Fechsung der Feldfrüchte, sondern auch Seuchen, Hagel,
Wassergüsse u. dgl. Kam aber das Schwein „foast" und mit
gol-denen
Aehren im Maul, so konnte man einer segensreichen
Zeit entgegenblicken. Das Schwein machte um den Berg herum
die Runde längs der Mauer; nur wenn eine Ortschaft von Ungemach
betroffen wurde, liess das Schwein die Richtung, in der die Ortschaft
lag, unpassirt und kehrte wieder in seine Höhle zurück. — Das
dürre Schwein liess stets ein jämmerliches Grunzen hören, machte
niemals die Runde, und kehrte gleich wieder in das Innere des
Berges zurück."
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Titel
- Die nordöstliche Steiermark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- -
- Ort
- Graz
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.93 x 17.9 cm
- Seiten
- 498
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918