Seite - 348 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
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auf waldumkränzter Hohe über dem Thale der Raab, mit alter
Pfarrkirche, stattlichem Pfarrhofe, Schloss, und 1883 erweitertem
schönem Schulhause der vierclassigen Volksschule.
Die den Ort und die Gegend weithin beherrschende Pfarrkirche
ist von dem geräumigen Kirchhofe, dem ehemaligen Friedhofe,
um-fangen
und macht mit ihrem kräftigen Thurme in ihrer äusseren
Restaurirung (1885—1887) einen gefälligen Eindruck, erweist sich
jedoch für die an 4000 Seelen umfassende Pfarre als zu klein.
Sie hat zwei Seitenkapellen, fünf Altäre und das Grabmal Siegberts
Grafen v. Heister, f 22. Februar 1718. In seiner langen lateinischen
Grabschrift heisst es: „Mirum! Septuagenarius miles hic jacet, nec
tarnen armis confectus, sed annis." Er focht unter den Kaisern
Leopold I., Josef I. und Carl VI. in 50 Feldschlachten und Treffen,
zeichnete sich bei Zenta, Salancament, Temesvar und Belgrad aus,
und focht als kais. Feldmarschall 1704—1705 gegen die ungarischen
Malcontenten und besiegte Rakoczi bei Tyrnau. Die Kirche war im
Schiffe, welches um 1700 nach Beseitigung der flachen Holzdecke
sehr tief oingewölbt wurde, ursprünglich romanisch, im Presbyterium
gotbisch, beide Theile wurden später, wahrscheinlich um 1700, barock
umgebaut.
Der Sage nach stand einst an Stelle der Kirche ein heidnischer
Tempel, was 1885 durch Auffindung einer heidnischen Opferstätte bei
der alten Friedhofmauer bestätigt wurde. Oestlieh der Kirche erhebt
sich das Schulhaus, welches in seinem ältesten Theile der letzte Rest
des uralten Schlosses Ober-Kirchberg ist. Schon 1217 wird hier
eines Scolarius, eines Schullehrers, erwähnt.
Die Pfarre St. Florian in Kirchberg ist von bedeutender
Aus-dehnung
und umfasst die politischen Gemeinden Kirchberg. Wörth,
Oberdorf, Studenzen, Erbersdorf, Altfladnitz (grösstenteils) und
Vorderberg mit nahezu 4000 Seelen. Die Gegend war schon früher
cultivirt, es wurden in den Dörfern rings um Kirchberg, wie
Alt-Fladnitz,
Berndorf, Studenzen, Siegersdorf, Mehltheuer etc. antike
Funde gemacht, und sind in vielen Häusern Römersteine eingemauert.
Im Mittelalter war fast jedes Thal durch eine Befestigung oder ein
Schloss geschützt, nachweisbar sind die Verschanzungen in Scharfenegg
und zu Hof, die Schlösser Alt-Kirchberg, Alt-Fladnitz und Siegersdorf.
(Das Siegersdorfer Schloss soll 1610 von Wolf Ehrenreich v.
Scharfen-berg
erbaut worden sein, und zwar auf dem Platze, wo jetzt das
Haus Nr. 2 des Bauern Niederhold steht.) Wie schon der Name
Kirchberg andeutet, ist die (2.) Christianisirung der Gegend und
damit die Gründung einer Kirche und Pfarrgemeincle durch deutsche
Missionäre geschehen, also nach St. Rupertus bis Karl dem Grossen
800 n. Ch., wo noch Deutsche und Slaven beisammen wohnten.
(Studenzen und Fladnitz sind slavische Ortsnamen.) Um 1268 gehörte
noch nahezu die ganze dermalige Pfarre zur alten Mutterpfarre
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Titel
- Die nordöstliche Steiermark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- -
- Ort
- Graz
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.93 x 17.9 cm
- Seiten
- 498
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918