Seite - 349 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
Bild der Seite - 349 -
Text der Seite - 349 -
— 349 —
St. Ruprecht a. d. Raah. Nach Muchar sollen 1271 die Chorherren
zu Kirchberg a. d. Raab Kirche und Haus gehabt haben. Kirchberg
dürfte um 1400 zur Pfarre erhoben worden sein. Zur Zeit der
Reformation wurde der katholische Pfarrer vertrieben und die
tabor-artig
befestigte Kirche von den Protestanten besetzt. Am 4. Juni 1G00
nahm sie jedoch der Hauptmann der Bedeckung der
Gegenreformations-commission,
Hans Christoph v. Prank, mit Gewalt und räumte sie
so-dann
dem Pfarrer von St. Marein wieder ein. — Die Kirche besitzt
eine schöne Monstranze, angeblich aus dem Brautschmucke der Gräfin
Heister gegossen.
Sage. An Stelle des heutigen Dorfes Studenzen stand einst
eine Stadt, deren Bewohner die Goldwäscherei in der Raab emsig
betrieben und dabei so reich wurden, dass sie sich eines
schwelge-rischen,
sündhaften Lebens hingaben und ihre Zimmer und Viehställe
mit Gold pflasterten, daher folgte ein furchtbares Strafgericht; die
Stadt versank mit Mann und Maus, nur ein Gerechter, ein Bauer,
wurde gerettet. Als man nach vielen Jahren wieder den Boden, wo
einst die Stadt gestanden war, zu bebauen begann, und allmälig
ein Dorf entstand, nannte man es Stund enzen (hier [stand],
Stund-enzen),
woraus allmälig der heutige Ortsnamen Studenzen entstand.
Südlich unterhalb der Kirche liegt auf einer Terrasse
das verwaiste Schloss Kirchberg, der spärliche Rest jenes
prunkvollen Schlosses, welches Graf Heister 1698 fast neu
erbaute und von dessen grossartiger und reicher Anlage die
drei vom Grazer Maler Johann B. Scheidt um 1745 aufge-
nommenen und von J. M. Kauperz und B. Hermann in Kupfer
gestochenen Prospecte des Schlosses mit seinen Statuen, Lust-
gärten, Teichen und Anlagen Zeugniss geben. Nur die Front
dieses Schlosses, welches zwei Höfe und vier Thürme hatte,
ist erhalten geblieben. Von zwei Seitentracten flankirt, erhebt sich
rückspringend der Mittelbau des Schlosses, dessen Fagade mit
prächtigen, in Stucco ausgeführten Kriegstrophäen geziert
und mit einem kuppeiförmigen Bau überwölbt ist. Dieser Mittel-
tract umfasst den stattlichen Ritter- oder Jagdsaal, der jedoch
: heute mit all' seinem reichen Freskenschmuck durch Ein-
schieben einer Holzdecke, 7 Fuss unter der Plafonddecke, gänz-
lich verstümmelt ist. (Wer die Deckenfresken sehen will, muss
heute am Dachboden gehen.) Der ganze Bau ist einstöckig, und
wird der linke Schlossflügel von Fürst Lichtenstein'schen
Pensionisten bewohnt, der rechte Flügel jedoch als Filiale
und Ferien-Colonie des Vincentinums in Graz, jenes 1872
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Titel
- Die nordöstliche Steiermark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- -
- Ort
- Graz
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.93 x 17.9 cm
- Seiten
- 498
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918