Seite - 426 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
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(1193) einst auf der Jagd sich im Urwalde verirrte und, zum Tode
ermattet, nach einem Trunk frischen Wassers lechzte, da sei ein
fröhlicher Hirte mit einem Eimer frischen Wassers des Weges
gekommen und hätte des Herzogs gewaltigen Durst gestillt. Der
Herzog fand Gefallen an dem Jungen, liess ihn ritterlich erziehen
und erhöh ihn später in den Adelsstand. Der Wassereimer, der in
beiden Sagen die Ursache der Adelserhebung bildet, ging aber in das
Wappen der Emmerberg über. Noch meldet die Burglegende mehrere
interessante Sagen über das Geschlecht der Bertholdstein von
Emmer-berg.
So sollen sieben Frauen der Bertholdsteiner der Eifersucht
ihrer Männer zum Opfer gefallen und die letzte im Schlosshofe, wo
jetzt der Stumpf eines uralten Nussbaumes steht, als Hexe verbrannt
worden sein. Aber auch eine Schlossfrau von Bertholdstein, ein
jugendliches Weib, mit dem alten Putter von Bertholdstein vermählt,
aber noch in heisser Liebe an ihrem Jugendgeliebten hängend, stiess,
als sie denselben überraschte, wie er ihrer schönen Stieftochter seine
Liebe gestand, Beiden den Dolch in's Herz, um sodann auch sich
selbst die tödtliche Waffe in die Brust zu stossen. Der Letzte der
Bertholdstein soll 1278 mit Seifried von Mahrenberg König Ottokar
von Böhmen am Marchfelde getödtet haben. Im Jahre 1512 kam das
Schloss Bertboldstein an die Lenghaimb, die es bis 1838 besassen,
worauf es durch Kauf an die Trautmannsdorf und 1870 an den
jetzigen Besitzer, Sefer Pascha, kam. Sefer Pascha, oderGrafLadislaus
Koszielsky, ist in Posen geboren, quittirte in Folge eines Duells 184S
als preussiscber Rittmeister und machte sodann einen Feldzug in
Algier mit, wo er Oberstenrang erlangte. Hierauf wandte er sich
nach Constantinopel, wo er in türkische Militärdienste trat, und
zwar als erster Christ, der seine Religion beibehielt. Sefer Pascha
wurde bald der Vertraute Abdul Medschid's und blieb es durch
14 Jahre, von ihm mit Ehren und Reichthümern überhäuft, bis zu
seinem Tode. Sefer Pascha domicilirt seit 1870 jeden Sommer in
Bertholdstein, von wo er nahezu täglich nach Gleichenberg fährt.
Seit der Besitzergreifung der alten Burgveste durch Sefer Pascha
hat dieselbe, unter vollkommener Wahrung ihres äusseren, so
hoch-interessanten
mittelalterlichen Charakters, im Innern eine Wandlung
zu einem orientalischen Fürstensitz von märchenhafter Pracht
er-fahren,
wie sie glanzvoller und sinnebestrickender kaum gedacht
werden kann. Die Burg hat zwei Höfe, einen grossen, ein stumpfes
Dreieck bildenden langgestreckten Hof, der Sage nach der ehemalige
Turnierplatz der Burg, und einen zweiten, unregelmässigen, kleinen
Hof. Die Ostseite des Haupthofes bildet ein prächtiger, in einer
Doppelreihe mit wildem Wein umrankten Arkaden (33 Bogen)
auf-steigender
Corridor, die sich nach Aussen als mit Schiessscharten
bewehrte Ringmauer darstellt. Die Corridore dieses 165 Schritte
langen Arkadenganges geben mit ihren Trophäen orientalischer Waffen
und Draperien persischer Teppiche schon einen kleinen Vorgeschmack
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Titel
- Die nordöstliche Steiermark
- Untertitel
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Autor
- Ferdinand Krauss
- Verlag
- -
- Ort
- Graz
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.93 x 17.9 cm
- Seiten
- 498
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918