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Einleitung 11
net, ob es ein Selbstverständnis abseits der starken Rollendeterminierung innerhalb
der Hofgesellschaft gegeben haben könnte. In diesem Sinn lassen die berühmten und
schwer entzifferbaren Tagebücher Karls VI. auch Rückschlüsse auf die Netzwerke des
Kaisers zu – auf jene Personen bzw. Vertrauten, mit denen sich der Kaiser umgab,
austauschte und die in der persönlichen Interaktion (vor allem politisch) ihren Ein-
fluss geltend machen konnten. Netzwerke konnten unterschiedlich dimensioniert
sein und unterschiedliche Aktionsradien besitzen, wobei die frühneuzeitliche Dip-
lomatie in den letzten Jahren in den besonderen Fokus der Forschung geriet. Hier
sind angesichts der enormen finanziellen Aufwendungen, die eine entsprechende
Position notwendig machte, in Bezug auf die Repräsentation vor allem die Aspekte
der körperlichen und symbolischen Vertretung des Souveräns durch diplomatische
Vertreter zu berücksichtigen. Die zeichenhafte Verdichtung höfischer Netzwerke
wurde in einer der wichtigsten Gattungen höfischer Repräsentation realisiert, dem
Fest bzw. der festlichen Zeremonie, wobei die theatralischen Inszenierungen meta-
phorisch-allegorischer-personifizierender Natur sind und in dieser Hinsicht den brei-
ten Themenkanon frühneuzeitlicher Repräsentation spiegeln. Darüber hinaus stellt
die festliche Versammlung selbst eine Visualisierung herrschaftlicher Ordnung dar.
Für musik-theatralische Aufführungen in Mähren im frühen 18. Jahrhundert konnte
sogar nachgewiesen werden, dass Untertanen nicht nur zu den Aufführungen einge-
laden wurden, sondern als Mitwirkende auch unmittelbar in das Geschehen auf der
Bühne eingebunden wurden.
Damit ist unweigerlich die Frage des Verhältnisses der Repräsentation zu ihren
räumlichen Kontexten angesprochen, die Gegenstand der Beiträge der vierten und
letzten Sektion ist. Dabei geht es nicht nur um die Anwendung des vielzitierte spatial
turn für Kunst- und Musikgeschichte, sondern vor allem um die Wahrnehmung von
Repräsentation als räumliches Phänomen. Hier ist es zugleich Herausforderung und
Chance, die Vielfalt unterschiedlicher Raum-Modelle der beteiligten Disziplinen zu
nutzen, wobei das soziologische Modell, das Raum über die Präsenz von sozialen
Akteuren definiert, und das materiell-architektonische Modell, das Raum über Ar-
chitektur (dauerhaft wie ephemer) erfasst, beispielhaft genannt seien. Die jeweilige
Beteiligung von Öffentlichkeit[en] ist dabei zentral, da ein kritischer Ansatz von Re-
präsentationsforschung immer auch darin bestehen muss, unscharfe und allgemeine
Formulierungen, ein Kunstwerk oder Musikstück wäre ‚auf Veranlassung‘ oder ‚im
Auftrag‘ eines bestimmten habsburgischen Herrschers entstanden, entsprechend zu
hinterfragen. In der Regel ist immer im Einzelfall zu untersuchen, wie die prozes-
suale Genese des Kunstwerks im jeweiligen politischen Kontext zu definieren ist.
Öffentlichkeit kann auch hier als eine entscheidende Kategorie angesehen werden,
da die Entstehung von Kunstwerken im Regelfall immer in den Händen zahlreicher
Die Repräsentation der Habsburg-Lothringischen Dynastie in Musik, visuellen Medien und Architektur
1618–1918
Representing the Habsburg-Lorraine Dynasty in Music, Visual Media and Architecture
- Titel
- Die Repräsentation der Habsburg-Lothringischen Dynastie in Musik, visuellen Medien und Architektur
- Untertitel
- 1618–1918
- Herausgeber
- Werner Telesko
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20507-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 448
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918