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gelassen hatte, und zwar keineswegs aus Mangel an Hunger, und ob sie eine
andere Speise hereinbringen würde, die ihm besser entsprach? Täte sie es
nicht von selbst, er wollte lieber verhungern, als sie darauf aufmerksam
machen, trotzdem es ihn eigentlich ungeheuer drängte, unterm Kanapee
vorzuschießen, sich der Schwester zu Füßen zu werfen und sie um
irgendetwas Gutes zum Essen zu bitten. Aber die Schwester bemerkte sofort
mit Verwunderung den noch vollen Napf, aus dem nur ein wenig Milch
ringsherum verschüttet war, sie hob ihn gleich auf, zwar nicht mit den bloßen
Händen, sondern mit einem Fetzen, und trug ihn hinaus. Gregor war äußerst
neugierig, was sie zum Ersatz bringen würde, und er machte sich die
verschiedensten Gedanken darüber. Niemals aber hätte er erraten können, was
die Schwester in ihrer Güte wirklich tat. Sie brachte ihm, um seinen
Geschmack zu prüfen, eine ganze Auswahl, alles auf einer alten Zeitung
ausgebreitet. Da war altes halbverfaultes Gemüse; Knochen vom Nachtmahl
her, die von festgewordener weißer Sauce umgeben waren; ein paar Rosinen
und Mandeln; ein Käse, den Gregor vor zwei Tagen für ungenießbar erklärt
hatte; ein trockenes Brot, ein mit Butter beschmiertes und gesalzenes Brot.
Außerdem stellte sie zu dem allen noch den wahrscheinlich ein für allemal für
Gregor bestimmten Napf, in den sie Wasser gegossen hatte. Und aus
Zartgefühl, da sie wußte, daß Gregor vor ihr nicht essen würde, entfernte sich
eiligst und drehte sogar den Schlüssel um, damit nur Gregor merken könne,
daß er es so behaglich machen dürfe, wie er wolle. Gregors Beinchen
schwirrten, als es jetzt zum Essen ging. Seine Wunden mußten übrigens auch
schon vollständig geheilt sein, er fühlte keine Behinderung mehr, er staunte
darüber und dachte daran, wie er vor mehr als einem Monat sich mit dem
Messer ganz wenig in den Finger geschnitten, und wie ihm diese Wunde noch
vorgestern genug weh getan hatte.
»Sollte ich jetzt weniger Feingefühl haben?«, dachte er und saugte schon
gierig an dem Käse, zu dem es ihn vor allen anderen Speisen sofort und
nachdrücklich gezogen hatte. Rasch hintereinander und mit vor Befriedigung
tränenden Augen verzehrte er den Käse, das Gemüse und die Sauce; die
frischen Speisen dagegen schmeckten ihm nicht, er konnte nicht einmal ihren
Geruch vertragen und schleppte sogar die Sachen, die er essen wollte, ein
Stückchen weiter weg. Er war schon längst mit allem fertig und lag nun faul
auf der gleichen Stelle, als die Schwester zum Zeichen, daß er sich
zurückziehen solle, langsam den Schlüssel umdrehte. Das schreckte ihn sofort
auf, trotzdem er schon fast schlummerte, und er eilte wieder unter das
Kanapee. Aber es kostete ihn große Selbstüberwindung, auch nur die kurze
Zeit, während welcher die Schwester im Zimmer war, unter dem Kanapee zu
bleiben, denn von dem reichlichen Essen hatte sich sein Leib ein wenig
gerundet und er konnte dort in der Enge kaum atmen. Unter kleinen
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Buch Die Verwandlung"
Die Verwandlung
- Titel
- Die Verwandlung
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1912
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 54
- Schlagwörter
- Erzählung, Schriftsteller, Ungeziefer, Käfer, Insekt
- Kategorien
- Weiteres Belletristik