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Aber die Schwester war leider anderer Meinung; sie hatte sich, allerdings
nicht ganz unberechtigt, angewöhnt, bei Besprechung der Angelegenheiten
Gregors als besonders Sachverständige gegenüber den Eltern aufzutreten, und
so war auch jetzt der Rat der Mutter für die Schwester Grund genug, auf der
Entfernung nicht nur des Kastens und des Schreibtisches, an die sie zuerst
allein gedacht hatte, sondern auf der Entfernung sämtlicher Möbel, mit
Ausnahme des unentbehrlichen Kanapees, zu bestehen. Es war natürlich nicht
nur kindlicher Trotz und das in der letzten Zeit so unerwartet und schwer
erworbene Selbstvertrauen, das sie zu dieser Forderung bestimmte; sie hatte
doch auch tatsächlich beobachtet, daß Gregor viel Raum zum Kriechen
brauchte, dagegen die Möbel, soweit man sehen konnte, nicht im geringsten
benützte.
Vielleicht aber spielte auch der schwärmerische Sinn der Mädchen ihres
Alters mit, der bei jeder Gelegenheit seine Befriedigung sucht, und durch den
Grete jetzt sich dazu verlocken ließ, die Lage Gregors noch
schreckenerregender machen zu wollen, um dann noch mehr als bis jetzt für
ihn leisten zu können. Denn in einen Raum, in dem Gregor ganz allein die
leeren Wände beherrschte, würde wohl kein Mensch außer Grete jemals
einzutreten sich getrauen. Und so ließ sie sich von ihrem Entschlusse durch
die Mutter nicht abbringen, die auch in diesem Zimmer vor lauter Unruhe
unsicher schien, bald verstummte und der Schwester nach Kräften beim
Hinausschaffen des Kastens half. Nun, den Kasten konnte Gregor im Notfall
noch entbehren, aber schon der Schreibtisch mußte bleiben. Und kaum hatten
die Frauen mit dem Kasten, an den sie sich ächzend drückten, das Zimmer
verlassen, als Gregor den Kopf unter dem Kanapee hervorstieß, um zu sehen,
wie er vorsichtig und möglichst rücksichtsvoll eingreifen könnte. Aber zum
Unglück war es gerade die Mutter, welche zuerst zurückkehrte, während
Grete im Nebenzimmer den Kasten umfangen hielt und ihn allein hin und her
schwang, ohne ihn natürlich von der Stelle zu bringen. Die Mutter aber war
Gregors Anblick nicht gewöhnt, er hätte sie krank machen können, und so
eilte Gregor erschrocken im Rückwärtslauf bis an das andere Ende des
Kanapees, konnte es aber nicht mehr verhindern, daß das Leintuch vorne ein
wenig sich bewegte. Das genügte, um die Mutter aufmerksam zu machen. Sie
stockte, stand einen Augenblick still und ging dann zu Grete zurück.
Trotzdem sich Gregor immer wieder sagte, daß ja nichts
Außergewöhnliches geschehe, sondern nur ein paar Möbel umgestellt
würden, wirkte doch, wie er sich bald eingestehen mußte, dieses Hin- und
Hergehen der Frauen, ihre kleinen Zurufe, das Kratzen der Möbel auf dem
Boden, wie ein großer, von allen Seiten genährter Trubel auf ihn, und er
mußte sich, so fest er Kopf und Beine an sich zog und den Leib bis an den
Boden drückte, unweigerlich sagen, daß er das Ganze nicht lange aushalten
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Buch Die Verwandlung"
Die Verwandlung
- Titel
- Die Verwandlung
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1912
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 54
- Schlagwörter
- Erzählung, Schriftsteller, Ungeziefer, Käfer, Insekt
- Kategorien
- Weiteres Belletristik