Seite - 24 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
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Wer Oberbau der Kirche ist ein massiver Guaderbnu. Die Höhe der Steinschichten ist verschieden und schwankt
von 1' bis 2', Z". Diese Verschiedenheit wurde vornehmlich mit Niicksicht auf die Ergebnisse des Steinbrecheng gewählt,
um jede eben gebrochene Äteinmasse verwenden zu können, also aus ökonomischen Gründen; aber auch deßhalb, um dem
Guaderbau ein lebensvolleres, minder einförmiges Aussehen zu verleihen. Jede Schichte läuft aber in der festgesetzten
Höhe um den ganzen Gnu herum. Gei Geginn jeder Gnucampngne wurde ein gleich genaues Nivellement wie an dem
Uundnmentbnu vorgenommen, demzufolge die Durchführung der horizontalen Lager an diefem Gaue mit einer
Genauigkeit bewerkstelligt wurde, daß Abweichungen mit den üblichen Meßinstrumenten nicht nachzuweisen sein dürften.
Die Steine wurden auf einen steifen Mörtel aus Stollberger hydraulischem Kalk und Meidlinger Sand versetzt; die
Uugcnstärke beträgt 3 Linien. Die Versetzung der Maßwerke, aller kleineren freistehenden Glieder, der Iialen, Valerien,
und dergleichen geschah auf festgeschlngenem, äußerst sorgfältig bereitetem Velkitte. Eisenklammern und Ichließen fanden
nirgends Verwendung; wohl aber wurden fchwnche freie Pfeiler oder Pfosten mit harten Steindiebeln verfetzt, die feinsten
Kreuzblumen und Jinlen aber aufKupferstnngen. Zur Einm ülbung der Kappen in den Kreuzgewölben wurden kleine,
eigens für diesen Zweck geformte Ziegel verwendet, sogenannte Heilnnosziegel. Auf dieselben wurde dann ein fester Guß
aus hydraulischem Kalke gemacht, welcher insbesondere vor der Gcdachung der Kirche wichtige und gute Dienste geleistet hat.
Hlämmtlichc Dach stuhle, das Gerüste für das Eentralthürmchen, den sogenannten Dachreiter, sowie die Vlockenstühle
sind aus Eisen hergestellt. Dadurch ist die Hauptgefahr, welche den Gestand der alten Kirchenbauten immer und immer
wieder bedrohte, die Jeuersgefahr, nahezu ausgeschlossen. Eine engere, unter bewährten Nrmen eingeleitete Concurrenz
hatte das Ergebniß, daß das Project des Civilingenieurs Eduard Leyfer zur Ausführung sämmtlicher Dachstühle und
des Eentralthürmchens gewählt wurde, und dieser im Vereine mit der Iirma Iigl und Comp. in den Jahren 1870
und 1871 die genannten Arbeiten vollendete. In gleicher Weise erhielt I. Vridl die Ausführung der Elockenstühle und
der damit zusammenhängenden eisernen Stiegen im Octogon der Thürme. Das System, welches Lcyser der Construction
der Dachstühle an der Votivkirche zu Grunde legte, ist von der äußersten Einfachheit. Nur die Lattung für die Schiefer-
eindeckung ist wegen der Gequemlichkeit des Nngelns aus Lärchenholz hergestellt. Alle anderen Gestandtheile sind von
Eisen. Die Neuheit, Größe und Präcision der hier gelösten Aufgaben läßt es vielleicht als wünschenswert!) erscheinen, das
detaillirte Programm der Dnchstuhl-Construction an anderer Stelle nachfolgen zu lassen. (Anhang VIII.)
ZH^it der Eonstruction des Dachstuhles in nächster Verbindung steht jene des Centralthürmchens oder Dachreiters.
Das Gerippe desselben ist gleichfalls aus Ichmicdeilen, und durch entsprechende Verbindungen und durch Verstrebungen
wurde die vollkommene Steifheit und Jestigkeit desselben erreicht. Mit diefem Gerippe innig vcrschraubt sind dann
jene Gestandtheile aus Lärchenholz, welche den Zweck haben, dem Thürmchen die äußere architektonische Jorm zu geben;
die Gogen und Giebelprofile, die kleinen profilirten Pfeilerchen und Nialen. Gekleidet ist das ganze Aeußcre des Central-
thürmchens mit Glei, welches durch Ualzung und Löthung die sämmtlichen Architektursormen in dauerhaftester weise
ausprägt und mit welchem die, gleichfalls aus Glei getriebenen Ornamente, die Krabben, Kreuzblumen nnd Rosetten, in
folidester Weise verbunden sind. Einzelne Theile dieser äußeren Gleihüllcn sind in einer als dauerhaft erprobten Weise
vergoldet.
«Aür die Gedachungen wurden zweierlei Deckmaterialien angewendet: für die steilen Dächer des Mittelschiffes,
des Kreuzschifses und Ehores, sowie für die Dächer der vier Kreuzschiss-Capellen Schiefer, für die stachen Dächer der Seiten-
schiffe, des Chorumganges und der Chorcapellen Glei. Von Glei sind auch sämmtliche Kinnen und Auskleidungen der
Wasserrohre und Wasserspeier. Diese für den Wasserabfluß bestimmten Theile sind nämlich aus Stein hergestellt, in den
Uugen gut mit Oelkitt verstrichen, aber nichtsdestoweniger innen mit starkem Glei verkleidet.
Das System der Wasserableitung an der Votivkirchc entspricht ganz demjenigen mittelalterlicher Gauwerke. Die
längs des Dachsaumes am Hochschiffe angelegten steinernen, mit Glei ausgekleideten Kinnen münden bei jedem Pfeiler
vermittelst eines in diesen eingelegten Gleirohres in einen Wasserspeier. Derselbe gießt das Wasser in das auf dem Kücken,
der Spreize des Strebebogens angebrachte offene Gerinne, welches das Wasser wieder vermittelst der an den äußeren
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Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Titel
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Autor
- Moriz Thausing
- Verlag
- Verlag von R. v. Waldheim
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 25.0 x 33.2 cm
- Seiten
- 148
- Schlagwörter
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918