Seite - 32 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
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der Strebepfeiler oberhalb der Vorhalle: Sacharins, Amos, Daniel und Ioel von Johann Ueßler. Die entgegengesetzte
nördliche Jacnde des Kreuzschisscs soll die Vollendung des Erlösungswerkes durch die dritte göttliche Person zur
Anschauung bringen. Dort erscheint als Relief im Tynipnn der Pforte die Hcrnbkunst des heiligen Geistes von U. Grler;
uud entsprechend der Aufstellung der Propheten jenseits, in zwei Reihen die Kirchenvater, unten nämlich die der orien-
talischen oder griechischen Kirche: Johannes Chrysostomus, Athannsius, Gregor von Nazianz und Cyrillus, ausgeführt
von Silbcrnagel, und oben die der abendländischen oder lateinischen Kirche, die Heiligen Gregor der Vroße, Augustinus,
Hieronymus und Ambrosms, ausgeführt von Johann Ießlcr und Johann Preleuthner. Endlich befindet sich noch an der
Zncristcithüre ein Tympanrclief: Christus als guter Hirte unter den Lämmern sitzend, schon in der ältesten christlichen
Kunst ein beliebtes Motiv, von I. Ießler; und die kleine Pforte zur Vorhalle der für dcu allerhöchsten Hof bestimmten
Chorgalerie ist mit vier Statuetten geschmückt, welche Schutzpatrone von Mitgliedern der kaiserlichen Iamilie darstellen,
links Rudolph und Gisela für die kaiserlichen Kinder, rechts Karl Qorromaeus und Mnrgaretha für den Protector des
Üaues, Erzherzog Karl Ludwig und desseu erste Gemahlin, Prinzessin Margarethe von Sachsen.
^Hm Inne ren beschränkt sich der statuarische Ichmuck des Gnuwerkes auf die Eingangshallen, die vier Kreuz-
schifscapellcn und die Pfeiler des Prcsbyteriums. Vor der Nillung des Spitzbogens, welche dem äußeren Tympan des
Hauptportnles entspricht, steht ein großer Engel mit einem Spruchbande, ausgeführt von Obercggcr; es ist der Engel
der Apokalypse im 19. Capitel, -19. Vers und aus der Gandrolle liest man die Worte: „Das Zeuguiß Jesu ist der Geist
der Weissagung." In ähnlicher Weise erscheinen in den Seitenschiffen an den Eingängen aus den Thurmhallen, die zur
Hälfte eingeblendet sind, unter Kaldachinen die beiden heiligen Missionäre, welche als Apostel der Deutschen zuerst im
Nordwesten und im Südostcn das Evangelium gepredigt haben, im linken Seitenschiffe nämlich 2. Oomfacius, im rechten
I. Ievcrinus, beide von Vlieber. Im Mittelschiffe sieht man dann noch an den Pfeilern, welche die Orgelbühne tragen,
zwei weibliche Heilige; vom Eingänge aus links Vcronica und rechts Ludmilln, die Herzogin von Qöhmen, beide von
Obercgger. Jede der vier Kreuzschisfcapellen enthält an den Wnndpseilern, mit denen der Polygone Abschluß der
Capelle beginnt, jederseits zwei, also zusnmmeu vier Statuen unter Gnldachinen. Es sind Gruppen von Heiligen, die
durch eine besonders hervorstechende gemeinsame Eigenschaft zusammengehalten sind. So finden wir, vom Langhause
herkommend, in der ersten Eapelle zur Linken, der Tnufcnpelle, vier der vornehmsten Märtyrer, zwei männliche und
zwei weibliche: Katharina, Laurcntius, Stephauus und ünrvara, ausgeführt von R. ^nfnuk; in der anderen Capelle
zur Linken, der Kaisercapelle, die Eltern und Großeltcrn Chrilti: Joachim, Anna, Joseph und Marin von P. Kastlunger;
in der an das Langhaus stoßenden ersten Cnpelle zur Rechten, der Salmcapelle, vier berühmte Ordensstifter und Heilige:
Qenedict und Theresia von Neßler junior, Grigitta und Uranciscus Sernphicus von Purkhartshofcr; in der anderen
Capelle derselben Seite, der Prmzencapelle, vier Heilige, welche gekrönte Häupter oder doch Nürsten waren: König
Ludwig IX. von Urankreich und die römische Kaiserin Helena von Iranz üechcr, Elisabeth, die Landgräfin von Thüringen
und den Markgrafen Leopold III. von Oesterreich von M. Purkharlshofer. An den Pfeilern des Chores-sind endlich
nochmals die Standbilder der zwölf Apostel angebracht, insgesammt von U. Erler ausgeführt. Während alle bisher
genannten Iculpturen weiß geblieben sind, wurden diele Apoltelstatucu leicht polychromirt. Die größere Inrbcnprncht
des Presbyteriums mit seinen bemalten Wänden und dem goldltrahlenden Hauptnltare hätte völlig fnrblofe Uiguren
schwerlich ertragen. 2o sehr auch unser moderner Geschmack der bunten öemnlung von Iculpturen abhold sein mag,
mußte doch durch eine vielleicht nur zu maßvolle Abtönung der Iteinsarbe der Harmonie des Ganzen Rechnung getragen
werden. Noch sind die Reliefs in den Tympnnen der beiden kleinen Pforten zu crwähuen, welche aus dem Chöre rechts
in die Vorhalle zur Empore, links in die Incristei führen. Das der ersteren zeigt das kaiserliche Wappenschild mit dem
Doppeladler zwischen einem Lorbeer- und einem Eichenzweig, das andere das Monogramm Jesn, umrankt von
Passifloren.
D i e W a n d m a l e r e i e n im Inneren der Uotivkirche sind so angeordnet, daß sie nach oben und gegen den Chor
hin an Ausdehnung und Farbenpracht immer mehr zunehmen. Dieselben erstrecken sich demnach über die sämmtlichen
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Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Titel
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Autor
- Moriz Thausing
- Verlag
- Verlag von R. v. Waldheim
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 25.0 x 33.2 cm
- Seiten
- 148
- Schlagwörter
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918