Seite - 63 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
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^ V o n den wenigen damals in Betrieb stehenden Steinbrüchen waren die vornehmlich
ausgebeuteten: die Jäger'schen Brüche in Wöllersdors und die sogenannten Kaiser-
Steinbrüche am Leithagcbirge, welche die härteren Sorten lieferten; sodann die
dem Fürsten Eszterhäzy gehörigen Margarethener Brüche, endlich die Loretto-
und Breitenbrunner Steinbrüche, welche die weicheren, leichter zu bearbeitenden,
dafür aber auch weniger dauerhaften Iteinarten lieferten. Gerade die letzteren
Arten aber wurden vorkommenden Falles für Gliederungen, Figuren und
Ornamente beinahe nusfchliefzlich uermendet. Ihre Sanction erhielt diese Nebung
durch die Verwendung derselben Äteinarten bei den Restaurationsbnuten des
St. Itephansdomes, der somit zum guten Theile aus diesen Materialien besteht.
Die feinere Gliederung der ZpätgotlM rechtfertigt vielleicht die Benützung eines
weicheren Gesteines, aber die an dem ehrwürdigen Denkmale fortwährend
nothwendigen Reparaturen fprechen auch dort deutlich für die Anwendung eines
widerstandsfähigeren Mnterinles.
A.Ile diese Steinbrüche waren überdies in festen Händen uud wurden uon den
Eigenthümern zum Theile in höchst bedenklicher Weise ausgebeutet. Das Monopol
der Familie Jäger in Wöllersdorf ging beispielsweise so weit, dafz innerhalb eines
gewissen Rayons, der weit über das Jäger'sche Besitzthum hinausging, niemand
ohne Erlaubnis) der Familie Jäger einen Bruch eröffnen durfte. Unter diefen
Umständen lichen Ferstet und Kranner es sich angelegen sein, die Formationen der
naheliegenden Gebirge nach anderen Hilfsquellen zu durchforschen, und ihr Blick
richtete sich naturgemäß auf jenen mächtigen Eebirgsstock, welcher als Ausläufer
des Schnecberges nach allen Richtungen hin fchöne und feste Äteinarten zu Tage
treten läfzt. Außerdem erschien noch eine andere ergiebige Fundgrube in den an der
Donau sich hinziehenden Iandsteinbrüchcn bei Höflein und anderen Orten erschlossen.
Der Hauptgrund, welzhalb die Kalksteinarten dem Sandsteine vorgezogen wurden,
war ein humaner. Die Bearbeitung der Sandsteine wirkt durch die scharfen Guarz-
bestandtheile zerstörend anf die Lungen der Arbeiter, und es ist eine bekannte
Thatsache, daß in Gegenden wo Sandstein gearbeitet wird, die Steinmetze höchst
selten das vierzigste Jahr überleben. Diese Erscheinungen kann man in Nöln,
Rcgensburg, am Neckar und anderwärts wahrnehmen. Nachdem dieser Umstand
den Ausschlag gegeben hatte, wurden die Untersuchungen ausschließlich in den
Kalksteingebirgen zwischen Vöslau und Neustadt fortgesetzt, und nuszer den bereits
durch Moosbruggcr eröffneten Steinbrüchen uon Wüllersdorf und einer kleinen
Ausbeute der Brüche uon Vöslnu sollten es vorzüglich die Ausläufer des Gebirges
bei Brunn am Iteinfclde fein, welche das Materiale für die Votiukirche zu liefern
hatten. Mit Ausnahme einiger unbedeutender Untermühlungen, welche zur
Bruchstein- und Schottergcwinnung vorgenommen worden waren, bestanden daselbst
früher noch keine eigentlichen Steinbrüche und es war daher nothwendig, mehrere
Brüche zu eröffnen. Es gehört zu den besonderen Verdiensten Kranners, auf die
Gunlität und Ergiebigkeit diefer Brunner Steinbrüche hingemiesen zu haben, welche
für die Votiukirche fortan mit Vorliebe und seither auch zu anderen Zwecken
vielfach ausgebeutet wurden.
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Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Titel
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Autor
- Moriz Thausing
- Verlag
- Verlag von R. v. Waldheim
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 25.0 x 33.2 cm
- Seiten
- 148
- Schlagwörter
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918